Für Bewegungsfreiheit & selbstbestimmte Entwicklung!

10. Dezember 2012 | Keinen Friedenspreis für die Kriege der EU!

Für globale Solidarität und einen gerechten Frieden!

Demonstration am Tag der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union. Zeit: Montag 10. Dezember 2012, 17.00 Uhr, Start: Ziegenmarkt (Steintor, Linien 2, 3 oder 10) in Bremen.
 
Am 10. Dezember – zugleich Tag der Menschenrechte – wird in Oslo der Friedensnobelpreis an die EU verliehen. Mit Blick auf eine jahrhundertelange Kriegsgeschichte in Europa und die beiden von Deutschland begonnenen Weltkriege ist es nicht völlig von der Hand zu weisen, dass die im Kalten Krieg entstandene „Europäische Gemeinschaft“ eine Alternative zu nationalistischen Konfrontationen zwischen den Staaten in Europa darstellt. Und dennoch ist die EU aus unserer Sicht alles andere als eine Friedensmacht, die für „Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte“ eintritt, wie in der Begründung für die Preisverleihung nachzulesen ist. Im Gegenteil: Der neoliberalen Einigung nach innen entspricht eine in den EU-Verträgen von Lissabon festgelegte Formierung nach außen als imperialer Block, der seine ökonomischen und politischen Machtinteressen rund um den Globus auf Kosten von Hunderten Millionen Menschen (vielleicht sogar mehr) kompromisslos durchzusetzen versteht – ob mit kriegerischen oder anderen Mitteln. Und dafür gibt es unzählige Beispiele.
 
Krieg hat viele Gesichter
 
Militärischer Krieg: EU-Staaten waren und sind nicht nur an größeren Kriegen wie gegen den Irak, im früheren Jugoslawien, im Kosovo oder in Afghanistan an vorderster Front beteiligt, sondern auch an einer Vielzahl von kleineren Militärinterventionen zur Absicherung ihrer wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen. Nicht die USA, Russland oder China, sondern die EU steht auf dem ersten Platz der Weltrangliste beim Rüstungsexport. Die europäischen Verträge verpflichten jeden Mitgliedsstaat zum Ausbau seiner „militärischen Fähigkeiten“. Auch im Land Bremen profitieren die lokalen Rüstungsbetriebe von der aggressiven Außenpolitik der EU durch millionenschwere Förderprogramme für neue Waffen- und Überwachungssysteme.
 
Wirtschaftskrieg: Zugleich nimmt die Ausbeutung von Menschen und natürlichen Ressourcen im Interesse der Länder des industrialisierten Nordens und vermehrt auch der so genannten Schwellenländer immer katastrophalere Ausmaße an – beispielsweise durch Rohstoffraub, Landgrabbing, Lebensmittelspekulation oder Zerstörung von Fischgründen. Verschärfend kommt der Klimawandel hinzu, in dessen Folge z. B. Überschwemmungen zunehmen, Ernteerträge einbrechen und die Malaria ansteigt. Erwähnt seien schließlich neoliberale Freihandelsverträge und IWF-Strukturanpassungsprogramme, die im Rahmen von Verschuldung in den letzten 30 Jahren zahlreichen Ländern aufgezwungen wurden und zusammen mit der schamlosen Unterstützung diktatorischer Regime direkt für die zunehmende Verelendung im Süden des Globus verantwortlich sind.
 
Sozialer Krieg: Aber auch innerhalb der EU zeigen sich zunehmend Risse. Durch den im Süden Europas gegen die große Mehrheit der Bevölkerung geführten sozialen Krieg in Form massiver Verarmungsprogramme verschärfen sich die Ungleichheiten auch innerhalb Europas. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es nicht zuletzt die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung ermöglicht hat, den Süden Europas mit Billigexporten in die Krise zu drängen. Die reicheren EU-Länder versuchen, die Gesellschaften in Griechenland und zunehmend auch in Portugal und Spanien als Versuchslabore zu benutzen für die Frage, wie weit Rechte beschnitten und erkämpfte soziale Errungenschaften wieder rückgängig gemacht werden können. Hintergrund all dessen ist, das der Kapitalismus seit den 1970er Jahren in der Krise ist und deshalb mit den Finanzmärkten alternative Orte der Kapitalverwertung geschaffen wurden. Bei sämtlichen Krisenlösungsstrategien der Europäischen Regierungen geht es nun darum, das Vermögen der Akteure auf den Finanzmärkten zu retten, was insgesamt eine nie dagewesene Umverteilung von unten nach oben nach sich zieht. Widerstand von Seiten sozialer Bewegungen – sei es in Form von Occupy-Camps oder Generalstreiks – wird EU-weit offensiv bekämpft. In Griechenland wird durch rassistische Hetze und Verfolgung versucht, die Schuld an der Krise auf die Migrant_innen abzuwälzen, unter anderem mit der Konsequenz, dass die faschistische Partei der „Morgenröte“ massiven Zulauf hat.

Krieg gegen Flüchtlinge: Auch der Krieg gegen Flüchtlinge und Migrant_innen, der sowohl außerhalb als auch innerhalb der EU-Grenzen geführt wird, bedient sich einer ganzen Palette von Machtinstrumenten. Jahrelang haben insbesondere die EU-Regierungen die nordafrikanischen Machthaber hofiert und mit Militärtechnologie ausgestattet. Diktatoren  wie Gaddafi in Libyen und Ben Ali in Tunesien wurden umso wichtigere „Partner in der Migrationskontrolle“, je effektiver sie als Wachhunde für ein vorverlagertes EU-Grenzregime fungierten. Nicht zuletzt auf Betreiben der deutschen Regierung werden die EU-Außengrenzen beständig aufgerüstet. Das brutale Grenzregime fungiert als Filter, allenfalls die “Fittesten” sollen durchkommen, sei es als ErntehelferInnen, Bauarbeiter, Schlachter, Pflege- oder Putzkräfte. Allein im letzten Jahr sind auf dem Meer, in der Wüste oder im Internierungslager nach UN-Angaben über 2000 Menschen getötet worden und auch dieses Jahr geht die Zahl der Todesopfer in die Hunderte. Die Verschärfung und Militarisierung des EU-Grenzregimes wird verkörpert durch Frontex. Denn die europäische Grenzschutzagentur ergänzt und erweitert die nationalen Kontrollsysteme, die seit Jahrzehnten auf Abschreckung und Kriminalisierung der Migrationsbewegungen zielen. An der Entwicklung von Grenzüberwachungssystemen und dem Einsatz von Satelliten und zukünftig auch Drohnen im „Grenzschutz“ sind Bremer Firmen von Anfang an beteiligt gewesen, allen voran OHB und EADS Astrium aber auch Atlas Elektronik (SIGNALIS) und Rheinmetall Defence Electronics.
 
Migrant_innen suchen in Europa Schutz oder ein besseres Leben. Sie wandern gegen ein Reichtumsgefälle, das ganz wesentlich in den neokolonialen Dominanz- und Ausbeutungsverhältnissen begründet liegt. Flüchtlinge aus Afghanistan oder Irak fliehen vor Krieg und Chaos, das durch von EU-Staaten unterstützte Kriege mit verursacht wurde. Die Todesgefahr beim Versuch, nach Europa zu kommen, wird von den hiesigen Regierungen bewusst in Kauf genommen. Diejenigen, die es dennoch schaffen, sind von rassistischen Sondergesetzen betroffen. Elementare Rechte werden ihnen vorenthalten. Auch in Bremen heißt das: weitere Unterbringung in Lagern trotz anders lautender politischer Beschlüsse, das Verbot sich frei zu bewegen (Residenzpflicht), Dauerschikanen in der Bremer Ausländerbehörde und drohende Abschiebung. Diesen Zuständen setzen selbstorganisierte Flüchtlinge und MigrantInnen schon lange ihren Widerstand entgegen – aktuell insbesondere im bundesweiten Flüchtlingsstreik (www.refugeetentaction.net).
 
Die EU führt Krieg an vielen Fronten, jetzt kriegt sie einen Preis dafür.
 
Wir dagegen sagen: angesichts dieser katastrophalen Bilanz ist jede Preisverleihung „für Frieden und Menschenrechte“ an die EU absolut zynisch! Stattdessen wollen wir ein Europa, das als geografische Region mit fließenden Übergängen seine inneren und äußeren Grenzen zusammen mit dem eingebauten Ausbeutungsgefälle aufsprengt und sich solidarisch mit den Kämpfen im globalen Süden bzw. von Flüchtlingen und Migranti_innen weltweit zeigt. Eine Vision, bei der angesichts des Klimawandels zudem kein Zweifel daran bestehen dürfte, dass wirtschaftliches Wachstum weder kurz- noch langfristig eine Lösung darstellt. Nein, unumgänglich ist vielmehr eine Neuerfindung dessen, worin ein gutes, würdiges und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen bestehen könnte.
 
Aktivist_innen von:
 
acompa Bremen, Afrique-Europe-Interact, Antirassistische Gruppe Polypol, Antirassistisches Plenum, Bluna, Bremer Friedensforum, Bremer Initiativkreis Grundeinkommen BIG, Bremer Montagsdemo, Echte Demokratie Jetzt! Bremen, Initiative gerechte Politik, Flüchtlingsinitiative Bremen, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, Lateinamerika Gruppe ILPAL, Rythms of Resistance Bremen