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Dezember 2015| Mikro-Landraub: Korruption bei KfW-Bewässerungsprojekt

Der Artikel ist zum ersten Mal in einer taz-Beilage von Afrique-Europe-Interact im Dezember 2015 erschienen.

Bereits seit langem engagiert sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der kleinbäuerlichen Bewässerungslandwirtschaft. Die hiermit verknüpften Errungenschaften sind unstrittig. Umso ernüchternder ist der Umstand, dass es immer wieder zu Korruptionsfällen kommt, die nicht zuletzt zu Lasten kleinbäuerlicher Produzent_innen gehen. So geschehen bei einem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durchgeführten Bewässerungsprojekt in Siengo Extension, einem Dorfverbund in Mali, in dem auch mehrere bäuerliche Mitglieder von Afrique-Europe-Interact leben.

Siengo Extension gehört zum Office du Niger, einer äußerst fruchtbaren Region 270 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bamako. Vier der fünf Dörfer, aus denen sich Siengo Extension zusammensetzt, wurden in den Jahren 2013 und 2014 umgesiedelt. Geplant war, dass sämtliche der bereits in den alten Dörfern registrierten Haushalte je nach Größe 2 bis 3 Hektar Land erhalten sollten. Und zwar solches Land, das im Rahmen des KfW-Bewässerungsprojekts neu an das vom Niger-Wasser gespeiste Kanalsystem des Office du Niger angeschlossen worden war. Doch hierzu ist es nicht gekommen: Zahlreiche Haushalte haben gar keine Parzellen erhalten, anderen wurden gerade mal 0,2 bis 0,8 Hektar zugeteilt, dritte wiederum konnten zwar ein neues Haus beziehen, sind aber bei der Landverteilung leer ausgegangen. Verantwortlich hierfür waren in erster Linie die Dorfchefs, sie haben nicht nur zahlreiche Haushalte schlicht übergangen – meist zu Beginn des Projekts, als Namenslisten mit den späteren Empfänger_innen erstellt wurden. Nein, sie haben auch zusammen mit lokalen Mitarbeiter_innen der Verwaltung des Office du Niger beträchtliche Teile des Landes auf eigene Rechnung an vermögende, teilweise namentlich bekannte Dritte verkauft, die weder in den alten noch den neuen Dörfern leben.

All dies haben malische und europäische Aktivist_innen von Afrique-Europe-Interact bei zahlreichen Einzel- und Gruppengesprächen vor Ort erfahren und sodann dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) detailliert dargelegt. Gleichwohl hat uns das BMZ im Juni 2015 unter Verweis auf ausführliche Gespräche mit dem Office du Niger schriftlich mitgeteilt, dass die Verteilung des Landes in Siengo Extension “korrekt durchgeführt” worden sei. Die von uns aufgeführten Kritikpunkte hätten vielmehr damit zu tun, dass aus technischen Gründen die ursprünglich vorgesehene Bewässerungsfläche von 1.722 auf 1440 Hektar hätte reduziert werden müssen, so dass der Kuchen an verteilbarem Land kleiner geworden sei. Außerdem hätte eine Prüfung der von Afrique-Europe-Interact vorgelegten Listen der geprellten Haushalte ergeben, dass bis auf drei Ausnahmen keiner dieser Haushalte auf den bereits erwähnten Ausgangslisten gestanden habe – was aus Sicht des BMZ darauf verweise, dass es sich um Haushalte handeln würde, die erst vor kurzem nach Siengo Extension gezogen seien.
So wichtig uns die Gespräche zwischen BMZ und den Verantwortlichen in Mali erscheinen, wir müssen dennoch widersprechen: Einerseits liegen uns ausführliche Schilderungen zahlreicher betrogener Bauern und Bäuerinnen vor, die mit Meldebescheinigungen und ähnlichen Dokumenten nachweisen können (von Zeug_innen ganz zu schweigen), dass sie bereits in den alten Dörfern gelebt und Steuern gezahlt haben. Andererseits können die Namenslisten mitnichten den Umstand aus der Welt schaffen, dass Teile des Landes an Dritte weiterverkauft wurden.

Für diese Lesart spricht im Übrigen auch das Gebaren der malischen Behörden. Denn nachdem die Verwaltung des Office du Niger mitbekommen hatte, dass wir unsere Ergebnisse dem BMZ vorgetragen haben, brach hektische Betriebsamkeit aus. Zunächst wurden eilig Versammlungen der Bevölkerung einberufen (mit allerlei Versprechungen), dann aber denjenigen, die bereits 0,2 bis 0,8 Hektar Land erhalten hatten, weitere Flächen zugesprochen – was wir bei aller Widersprüchlichkeit durchaus als Erfolg verbuchen. Zugleich steht der malische Projektkoordinator des Bewässerungsprojekts weiterhin im stetigen Austausch mit denen, die nichts bekommen haben, nicht zuletzt wegen etwaiger Ausgleichsflächen. Für uns ist all dies das Verhalten einer sich zur Recht ertappt fühlenden Verwaltung, weshalb das BMZ mit Nachdruck aufgefordert sei, durch geeignete Maßnahmen den bislang betrogenen Bauern und Bäuerinnen doch noch zu ihrem Recht zu verhelfen.