Europäisches Lagersystem stoppen!
NoLager-Netzwerk (2006)
Auch wenn im Zentrum unseres Protests konkrete Lager wie Bramsche-Hesepe in Norddeutschland stehen, wir haben stets die Entwicklung des Europäischen Lagersystems insgesamt im Blick. Damit meinen wir, dass derzeit innerhalb und außerhalb der EU mit hohem Tempo ein System unterschiedlicher, sich wechselseitig ergänzender Lager hochgezogen wird. Hierzu gehören erstens Flüchtlingsauffanglager vor den Toren der EU, etwa in der Ukraine, Libyen oder Mauretanien; zweitens große Lagerkomplexe unmittelbar an den EU-Außengrenzen, an der polnischen Ostgrenze zur Ukraine genauso wie auf der italienischen Insel Lampedusa oder den Kanarischen Inseln (Spanien); sowie drittens unterschiedliche Lager innerhalb der einzelnen EU-Länder.
Isolation ist das Grundprinzip sämtlicher dieser Lager – ganz gleich ob diese in der Libyschen Wüste, in den Wäldern Mecklenburg-Vorpommerns oder im Industriegebiet westdeutscher Großstädte liegen. Denn je stärker Flüchtlinge und MigrantInnen isoliert bzw. sozial ausgeschlossen sind, d.h. je spärlicher ihre Kontakte zur ansässigen Wohnbevölkerung, zu migrantischen Communities, RechtsanwältInnen oder politischen AktivistInnen ausfallen, desto tiefer greift die Kontrolle, desto stärker sind sie außerdem den Schikanen, Demütigungen und Bestrafungen durch Lagerleitung & Behörden ausgesetzt.
Mit ihrer Isolationspolitik verfolgen die LagerbürokratInnen der EU mehrere, oft auch gegenläufige Ziele auf einmal: Erstens sollen möglichst viele Flüchtlinge und MigrantInnen in Lagern abgefangen und somit an der Einreise in die EU gehindert werden – ein Unterfangen, das im unmittelbaren Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen steht, wie z.B. der personellen Aufstockung der Grenzpolizeien, der technischen Perfektionierung der Grenzüberwachung oder der Auskundschaftung geheimer Migrationsrouten und Treffpunkte. Die Unterbringung in Lagern ist zweitens eine zentrale Voraussetzung dafür, Flüchtlinge und MigrantInnen möglichst reibungslos wieder abzuschieben, entweder direkt in ihre Herkunftsländer oder in die neu errichteten Auffanglager in Nordafrika, wo sodann die Regierungen Libyens, Tunesiens oder Marokkos über das weitere Vorgehen entscheiden. Drittens dient Lagerpolitik der Abschreckung bzw. Illegalisierung – sei es, dass Flüchtlinge und MigrantInnen es vorziehen, von Anfang an irregulär in die EU einzureisen (anstatt sich ins ohnehin fast aussichtslose Asylverfahren zu begeben) oder sei es, dass sie durch ihre Lagererfahrungen zermürbt werden und freiwillig in die Illegalität abtauchen.
Beides ist durchaus Kalkül, jedenfalls in bestimmtem Umfang: Menschen ohne Papiere kosten den Staat nichts, außerdem stehen sie dem europäischen Arbeitsmarkt als billige, flexible und gewerkschaftlich unorganisierte Arbeitskräfte zur Verfügung – ob in der Landwirtschaft, auf dem Bau, im Reinigungsgewerbe, in der Gastronomie, der Sexindustrie oder den privaten Haushalten der Mittelklassen.
Wir lehnen die Isolation von Flüchtlingen und papierlosen MigrantInnen ab, egal ob sie aus den Städten in die Wälder oder in nordafrikanische Wüstenlager ausge-Lager-t werden.Wir machen uns vielmehr für das Recht auf globale Bewegungsfreiheit stark. Alle Menschen haben das Recht, sich dort aufzuhalten, wo immer und solange sie möchten! Wir fordern den Stopp aller Abschiebungen und die sofortige Schließung von Lagern – hier und überall.
Quelle: www.nolager.de