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Deportations are a crime – Abschiebungen sind ein Verbrechen

Sie dienen der Kriminalisierung, Bestrafung und Abschreckung von Flüchtlingen und MigrantInnen – Abschiebehaft und Abschiebungen waren und sind ein zentraler Bestandteil des europäischen Grenzregimes. Spätestens Mitte der 80er Jahre hatte die Abschiebepraxis in den Schengenstaaten neue Dimensionen angenommen. Die Anzahl der Menschen, die in den letzten 20 Jahren aus den EU-Ländern unter Anwendung aller möglichen Druck- und Gewaltmittel ausgeflogen wurden, dürfte im mehrfachen Millionenbereich liegen.

Der rassistische Abschiebeterror ist Alltag. Vom Frankfurter Flughafen, um es nur an einem Beispiel deutlich zu machen, sind im Jahre 2000 ca. 40 Menschen abgeschoben worden, an jedem Tag! Heute sind es – angesichts der stark gesunkenen Asylzahlen – immer noch um die 10 Abschiebungen täglich.

1996, in der Bewegung der Sans Papiers in Frankreich, war der Kampf gegen Abschiebung ein wesentliches Element. Auf den Demonstrationen für „Papiere für Alle“ wurde Geld gesammelt, um Abgeschobene zurückzuholen. In Bamako gab es damals Protest- und Solidaritätsaktionen für die aus Paris Ausgewiesenen.

1999 waren innerhalb weniger Monate 4 MigrantInnen in Deutschland, Belgien, Österreich und der Schweiz beim gewaltsamen Versuch der Abschiebung von Grenzpolizisten ums Leben gebracht worden. Im Jahr zuvor hatte sich das Noborder-Netzwerk gegründet und mit dem Slogan „No Border, No Nation – Stop Deportation“ deutlich gemacht, dass die herrschende Abschiebepolitik neben der Situation an den Außengrenzen ein dauerhafter Schwerpunkt sein muss.

Der quasi-öffentliche Charakter von Abschiebungen in Linienflugzeugen und die entsprechenden Widerstands- bzw. Solidaritätsmöglichkeiten (siehe unten) macht den Abschiebebehörden immer wieder zu schaffen. Deshalb setzen sie seit einigen Jahren zunehmend auf Sammelabschiebungen in eigens dafür gecharterten Flugzeugen – die „Charter der Schande“! Auf EU-Ebene kommt nun zunehmend Frontex die Rolle zu, unter der Überschrift „Joint Return Operations“ diese Sammelabschiebungen zu koordinieren und zu finanzieren.

Mit der sogenannten Asylzuständigkeitsverordnung „Dublin II“ finden in den vergangenen Jahren mehr und mehr Abschiebungen innerhalb der EU statt, meistens von Ländern in Nord-West-Europa in die Länder an den südlichen und östlichen Außengrenzen wie Griechenland, Ungarn oder Italien. Flüchtlinge sollen gezwungen werden, im Land der ersten Registrierung ihr Asylverfahren durchzuführen. Setzen sie ihre Flucht fort – meist in ein Land, wo sich Verwandte oder Bekannte aufhalten, droht ihnen die sofortige Rückschiebung.

Der Kampf gegen Abschiebungen war und ist sehr vielfältig: vom individuellen Widerstand der Betroffenen bis zu breit geführten Kampagnen. Im folgenden eine kleine beispielhafte Auswahl von Protesten und Aktionen der letzten Jahre:

Kaleidoskop des Widerstands

1998/1999: Holländische Gruppen starten eine Imageverschmutzungskampagne gegen die Abschiebe-Fluggesellschaften Martin Air und KLM, die im Jahr darauf vom Netzwerk kein mensch ist illegal in Deutschland erfolgreich gegen Lufthansa zur Deportation-Class-Kampagne weiterentwickelt wird.

Juli 2000 in London: Bei einem Flug der British Airways wird von den anwesenden Passagieren eine Abschiebung verhindert! Sie riefen zu zivilem Ungehorsam auf und schafften es, dass der Flüchtling aus Zaire nicht abgeschoben wurde.

Februar 2005 Göttingen/Frankfurt: In letzter Minute weigert sich der Pilot des Flugzeugs, eine Flüchtlingsfrau aus dem Iran zu transportieren. Dem ging eine breite Öffentlichkeitskampagne voraus, und bei Protesten am Flughafen Frankfurt beteiligten sich mehrere hundert Menschen.

September 2006 in Frankfurt: Ein äthiopischer Flüchtling sträubt sich und schreit gegen seine geplante Abschiebung durch gewalttätige Bundespolizisten. Mit Erfolg! Denn der Pilot weigerte sich anschließend, ihn zu transportieren.

August 2007 in Conakry/Guinea: 6 französische Polizisten wurden massiv verprügelt, als sie die zwei Guineer übergeben wollten, die sie abgeschoben hatten. Mehrere Passagiere und auch guineeische Polizisten waren in den Streit verwickelt.

März 2008 in London: Fluggäste solidarisieren sich in einer Linienmaschine von British Airways mit einem nigerianischen Flüchtling, der sich gegen seine Abschiebung zur Wehr setzte. Daraufhin räumte die Polizei die gesamte Economy-Class mit 136 Passagieren, um die Abschiebung doch noch durchzusetzen.

August 2008 in Hamburg: Knapp 2000 Menschen beteiligen sich an einem „Streik von außen“ gegen den Hamburger Abschiebeflughafen. Eines der Terminals wird für Stunden zu einer Protestzone umfunktioniert.

August 2009 in Kopenhagen: In der dänischen Hauptstadt versuchen Tausende, die Räumung einer Kirche und die Abschiebung der dort protestierenden irakischen Flüchtinge zu verhindern. 25.000 Menschen beteiligen sich an einer anschließeneden Demonstration.

April 2010 in Wien: Nach einer Razzia im Stadion beteiligen sich binnen weniger Stunden hunderte AktivistInnen an einer Blockade eines Polizeibusses, mit dem der Trainer des FC Sans Papier zur Abschiebung transportiert werden soll.

Juni 2010: Europaweit wird zu einer Aktionswoche gegen (Frontex-)Sammelabschiebungen aufgerufen, in mehreren Städten finden Aktionen statt.

September 2010 in Frankreich: In vielen Städten kommt es zu großen Demonstrationen gegen Abschiebungen von Roma.

Oktober 2010 in Brüssel: Während des Noborder-Camps lassen AktivistInnen vor der Abflugtafel im Flughafenterminal zwei Transparente mit Heliumballons steigen. Die Auschriften lauten: Stop Deportations, Stop Frontex!

Zusammenfassung:

Spontaner Widerstand der Betroffenen und die Solidarisierung von Passagieren, organisierte Kampagnen in Einzelfällen oder gegen die Abschiebung von Flüchtlingsgruppen in bestimmte Herkunftsländer, Imageverschmutzung gegen beteiligte Fluggesellschaften oder Proteste gegen die „Charter der Schande“ (Sammelabschiebungen) und die dabei immer wichtigere Rolle von Frontex: die Liste der Beispiele spiegelt wieder, welche verschiedenen Ebenen und Möglichkeiten des Widerstandes gegen Abschiebungen es gibt und welche Formen der Solidarisierung.
Die antirassistischen Bewegungen, die Selbstorganisationen von Flüchtlingen und MigrantInnen und die Solidaritätsnetzwerke, haben zur Zeit nirgends in Europa die politische und gesellschaftliche Stärke, das europaweiteAbschieberegime ernsthaft in Frage zu stellen. Aber sie sind zumindest fähig, immer wieder „Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie“ zu streuen. Das hat nicht nur – direkt und indirekt – dazu geführt, dass viele tausend Menschen nicht abgeschoben werden konnten. All diese Proteste symbolisieren zudem in notwendiger und öffentlicher Weise, dass das Unrecht der Abschiebungen nicht sprach- und widerstandslos hingenommen wird.