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Transnationale Aktionskette 2008 (Afrique-Europe)

Im Februar begann die Aktionskette als Versuch, eine neue Form der transnationalen Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Migrationsnetzwerks zu schaffen. Was folgt ist ein Auszug aus dem gemeinsamen Aufruf und kurze Berichte der jeweiligen Aktionen. Mehr Infos gibt es bei noborder.org und eine erste Auswertung ist beim ESF in Malmö geplant.

Auszug aus Aufruf:

„Auf der ganzen Welt wäre kapitalistische Ausbeutung unvorstellbar ohne die globalen Unterschiede aufrechtzuerhalten durch Filter und Zonen, Hierarchien und Ungleichheiten und durch externe wie auch interne Grenzen. Illegalisierung und Abschiebungen auf der einen Seite, selektive Inklusion und Rekrutierung migrantischer Arbeitskraft auf der anderen: Migrationsmanagement für ein Regime globaler Apartheid, deren präkarisierte Ausbeutungsverhältnisse auf der Hierarchie von Rechten und rassistischer Diskriminierung basieren (…) Die zunehmenden Bewegungen und täglichen Kämpfe von Flüchtlingen und MigrantInnen sind eine Herausforderung für die externen Grenzen Europas wie auch für die gesellschaftlichen und rechtlichen Grenzen innerhalb Europas. Die vielen Kämpfe unterwandern, durchkreuzen und attackieren das brutale und mörderische System der Migrationskontrolle und der rassistischen Ausbeutung. Die transnationale Aktionskette ist ein Schritt zur Verknüpfung dieser Kämpfe. Sie ist ein Versuch, Kommunikation und Organisierung über Grenzen hinweg zu stärken, in dem Wissen, dass die Forderungen für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht direkt auf das „Herz der Bestie“ zielen, gegen das MigrantInnen überall und jeden Tag kämpfen.“

Station #1: Amsterdam

Der erste Halt der transnationalen Aktionskette fand am Freitag, den 2. Februar 2008 statt. Gewerkschaftliche Organiser, TheoretikerInnen, MedienaktivistInnen und migrationsbezogene AktivistInnen aus den Niederlanden, der BRD, Italien, Spanien und Grossbritanien trafen sich, um zu diskutieren und ihre Praxis im Kampf gegen Präkarisierung und unsichere Arbeitsverhältnisse auszutauschen. Die Veranstaltung „Migrant/Media/Metropolis: New Labour Struggles in the Global City“ war der Versuch, traditionelle gewerkschaftliche Herangehensweisen zu überdenken und ein besseres Netzwerk von AktivistInnen, AkademikerInnen, MedienaktivistInnen und KünstlerInnen zu inspirieren. Dabei wurde an Erfahrungen aktueller urbaner Kämpfe angeknüpft, wie die „Cleaners for a Better Future Campaign“. Im März diesen Jahres hatten niederländische Putzkräfte – mit der aktiven Unterstützung von sozialen Bewegungen, Künstlern und AkademikerInnen – einen Arbeitsvertrag durchgesetzt, der ihre Löhne auf 10 Euro in der Stunde erhöhte und zudem bessere
Arbeitgeberleistungen brachte.

Station #2: Sevilla

Im September 2008 gründeten mehr als 100 migrantische Initiativen und soziale Organisationen das spanische Netzwerk für die Rechte von MigrantInnen (REDI). Die Ziele des Netzwerks liegen in der Verbesserung der Koordination und des Informationsaustauschs sowie in der Intensivierung von Kampagnen und Mobilisierungen gegen die gegenwärtige Migrationspolitik und für die Rechte von MigrantInnen in Spanien. Als Teil dieses Prozesses rief REDI zwei Wochen vor den Wahlen zu einem gemeinsamen Aktionstag am 23. Februar auf: „Gegen Präkarisierung und gleiche Rechte für alle“ war der Slogan. Mehr als 10.000 Menschen gingen auf die Strassen von Sevilla, Valencia, Burgos, Madrid, Barcelona, Pamplona und Tenerife. In Sevilla forderten 2.000 Menschen einen neuen Regulationsprozess und die Schließung aller Abschiebelager. Nach diesem erfolgreichen Tag ging es mit einer Demonstrationen am 2. Juni gegen die Europäische Direktive weiter und am 14. September gab es eine überregionale Demonstration in Madrid als Teil des Weltsozialforums
für Migration.

Station #3: Turin

Viele migrantische und antirassistische Gruppen aus Städten in Norditalien trafen sich, um das Verhältnis zwischen Migration, Grenzmanagement und der Prekarisierung von Arbeit zu diskutieren. Dabei wurde festgehalten, dass die Perspektive der migrantischen Arbeit von zentraler Bedeutung ist, um die Instabilität der gegenwärtigen Form des Kapitalismus und die lokale und urbane Vervielfältigung von Grenzen als Instrumente der selektiven Inklusion und Ausbeutung der
MigrantInnen zu verstehen. Das Treffen war ein wichtiger Schritt für die Organisierung des ersten EuroMayDay mit dem zentralen Bezugspunkt der migrantischen Arbeit.

Station #4: Bamako

Ca. 200 Menschen besuchten einen „Tag der offenen Tür“ in Bamako/Mali am 15. und 16. März, veranstaltet von der Association Malienne des Expulses. Es gab Diskussionen zu den Themen Repression gegen und Widerstand von Undokumentierten in europäischen Ländern und Abschiebungen von Nordafrikanischen Ländern nach Mali. Diese Abschiebungen folgen den Rückführungsprogrammen mit europäischen Ländern. Der bei diesem Treffen ausgearbeitete Bamako-Aufruf richtete sich ausdrücklich gegen die Externalisierung der europäischen Grenzkontrollen. Er verlangte ein Ende der Kooperation mit Frontex and dem Internationalen Zentrum für Migrationsmanagement (Cigem), ein neues Jobcenter in Bamako für zirkuläre Migration als Antwort auf so genannte „irreguläre“ Migration.

Station #5: London

In London nahmen am 29. März 2008 mehr also 200 Menschen an der Gewerkschafts- und Community Konferenz gegen Einwanderungskontrollen teil. Gastgeber der Konferenz war die Gewerkschaft für Bahn, Schiffahrt und Transportangestellte (RMT). Viele der TeilnehmerInnen waren Delegierte von lokalen Gewerkschaftszweigstellen, migrantische Communities oder politische Organisationen. ReferentInnen waren AktivistInnen, AslybewerberInnen und undokumentierte MigrantInnen. Der Schwung der Konferenz wurde mitgenommen, um zahlreiche Workshops über Arbeitsrecht und den Umgang mit Razzien und Kontrollen am Arbeitsplatz zu
veranstalten. Das Bündnis, das sich anschließend gründete, nennt sich „Kampagne gegen Einwanderungskontrollen“(CAIC). CAIC beteiligt sich auch an Protesten gegen Abschiebelager und hat einen Streik der Londoner U-Bahn Reinigungskräfte unterstützt. Die Bosse benutzten den irregulären Status der involvierten ArbeiterInnen, um sie einzuschüchtern. Dagegen leistet CAIC aktive Unterstützung-sarbeit.

Station #6: Athens

Im April gab es in Griechenland einen Aktionstag als Teil der transnationalen Aktionskette. Es fanden eine Reihe von Aktionen in verschiedenen griechischen Städten statt, alle unter dem Motto „offene Grenzen und Asyl für Flüchtlinge“, denn die griechische Asyl- und Grenzpolitik wird mit jedem Tag schlimmer. In Athen gab es eine Demonstration, die trotz Regen erfolgreich war. Mehr als 300 Flüchtlinge nahmen daran teil, hauptsächlich aus Afghanistan, Somalia und Sudan. Weitere gut besuchte Aktionen und Diskussionen fanden in Thessaloniki, Patra, Volos, Mytilene, Samos und Chania statt.

Station #7: Milan, Euro MayDay

Unter dem Motto „Keine Grenzen, keine Präkarität“ führten MigrantInnen aus vielen verschiedenen italienischen Städten eine Parade von 80.000 prekarisierten ArbeiterInnen an. Die Botschaft war eindeutig: Der Bedrohung durch Illegalisierung, die Kopplung von Arbeitsverträgen an Aufenthaltsgenehmigungen sowie die Abschiebelager sind alles grundlegende Hebel in einem Prozess der Prekarisierung. Die Parade tauschte sich mit Euro MayDay Aachen aus und schickte eine Nachricht an migrantischen ArbeiterInnen in den USA die für die Legalisierung aller undokumentierten MigrantInnen demonstrierten.

Mehr Infos: lavoromigrante.splinder.com und: coordinamentomigranti.splinder.com

Station #8: Warsaw

Der 6. Juni führte uns nach Warschau in Polen, wo sich der Hauptsitz von Frontex befindet, der berüchtigten Agentur, die die Jagd auf MigrantInnen an den EU- Außengrenzen betreibt. Am Vorabend gab es eine Infoveranstaltung und am 6. Juni veranstalteten wir morgens eine Pressekonferenz und nachmittags eine Demonstration vor dem Büro von Frontex, das sich in der 22. Etage eines nagelneuen Wolkenkratzers im Herzen Warschaus befindet. Ca. 50 Menschen beteiligten sich an der Demonstration, einige aus anderen Ländern, die meisten aus Warschau. Unsere Transparente und Durchsagen konnten etwas Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und letztlich kam sogar der Direktor von Frontex herunter um zu sehen was los war. Er lud einige von uns ein, zum Reden mit ihm nach oben zu gehen (typischer EU-Stil: „Wir können über alles sprechen…“). Eine Delegation ging mit, während die Demonstration weiter zog zum Palast des Präsidenten, um gegen Abschiebungen nach Vietnam zu demonstrieren. Und die Aktion in Warschau soll nur der Auftakt einer Im- ageverschmutzungskampagne gegen Frontex sein …

Audio der Unterhaltung mit Frontex: www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23733

Station #9: Hamburg

Mehr als 1000 Menschen haben sich an einem einwöchigen Camp gegen Rassismus und Abschiebungen beteilgt, das in Zusammenarbeit mit einem ersten Klimacamp stattfand. „Reclaim the market“ war der Titel eines Blockadehappenings inner- und außerhalb eines Supermarktes, um die Ausbeutung migrantischer Arbeit in der Landwirtschaft zu kritisieren und „Bioprodukte und Papiere für Alle“ zu fordern. Ein weitere Protestaktion richtete sich gegen die Frontex- Ausbildungsakademie der Bundespolizei in Lübeck. Und die spektakulärste Aktion ereignete sich in und rund um den Hamburger Flughafen: ein „Warnstreik von außen gegen die Charter der Schande“. Ca. 1500 Leute beteiligten sich an einer Demonstration sowie an verschiedensten Aktionen im Flughafen sowie an Blockaden der Zufahrtsstraßen. Einer der Terminals wurde für den gesamten Tag zu einer Protestzone gegen Abschiebungen umfunktioniert.

Weitere Infos: http://camp08.antira.info und :
umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/antiracamp_hamburg08.html

Station #10: ESF in Malmo?

Während des Europäischen Sozialforums in Malmö vom 17. bis 21. September fand in einem Workshop mit dem Titel „Transnationalisierung jetzt“ eine erste Auswertung der Aktionskette statt. Zusätzlich gab es ein Seminar zum europäisierten Grenzregime und ein Plenum der migrationsbezogenen Vernetzung, in dem weitere Verabredungen für 2009 diskutiert
wurden.

Quelle: Transnational Newsletter Crossing Borders Nr. 6, November 2008