September 2013 | Association Togolaise des Expulsés (ATE) – die Togoische Vereinigung der Abgeschobenen
Seit 2011 ist die Assoziation der Abgeschobenen Togos Mitglied von Afrique-Europe-Interact. Im Zentrum der Kooperation stehen bislang drei Themen: Erstens Stärkung der ATE, zweitens Öffentlichkeitsarbeit in Togo und Europa zur Situation von MigrantInnen und Abgeschobenen und drittens Förderung der transnationalen Vernetzung zwischen der ATE und Basisinitiativen in Westafrika, insbesondere in Mali. Eines der wichtigsten Projekte ist bislang die gemeinsame Produktion des Films Da.Sein gewesen, an der AktivistInnen der ATE und der europäischen Sektion beteiligt waren.
Togo: Flucht, Migration und Abschiebung
Migration und Flucht spielen eine bedeutende Rolle im Leben vieles Leute aus Togo, in den letzten 20 Jahren gab es mehrere große Fluchtwellen. Viele togoische Oppositionelle waren nach der Niederschlagung der massenhaften Revolten gegen das Regime des Militärdiktators Eyadéma gezwungen, sich in Sicherheit zu bringen. Die letzte derartige Fluchtwelle gab es 2005, nachdem der heutige Präsident, Faure Gnassingbé, trotz Aufbegehrens der Bevölkerung und internationalen Protesten die Macht von seinem verstorbenen Vater Eyadéma übernommen hatte. Gleichzeitig verschärfte sich, ähnlich wie in anderen Ländern des frankophonen Westafrika, seit Anfang der 90er die wirtschaftliche Krise und Perspektivlosigkeit durch die, von der europäischen Währungspolitik erzwungenen Abwertung des Franc CFA. Die meisten der togoischen Migrant_innen und Flüchtlinge gingen in die Nachbarländer, nach Ghana oder nach Benin, einige schafften es auch nach Europa. Migration hat sich für die Gesellschaft in Togo zu einer unverzichtbaren ökonomischen Ressource entwickelt. Die Rücküberweisungen der Migrant_innen finanzieren den Lebensunterhalt vieler Familien, Teile der Infrastruktur, Häuser, sowie einen Großteil sozialer Projekte. Die migrantischen Geldtransfers übersteigen deutlich das, was von offizieller Seite an sogenannter Entwicklungshilfe kommt. Obwohl sich die Gründe, aus Togo wegzugehen, keineswegs erledigt haben und sehr viele Togoer_innen, insbesondere Jugendliche, von einer besseren Lebensperspektive in Europa träumen, schaffen es angesichts eines hochgerüsteten Grenzregimes nur noch wenige, dort anzukommen. Die Chancen, als Togoer_in Asyl zu bekommen, sind heute, wo dem togoischen Regime fortschreitende „Demokratisierung“ attestiert wird, in den meisten EU-Staaten verschwindend gering. Auf der anderen Seite wurden viele Togoerinnen und Togoer in den letzten Jahren in ein Land abgeschoben, in dem ihre ökonomischen Lebensperspektiven katastrophal sind und in dem sie bis heute von staatlicher Verfolgung bedroht sind.
Selbstorganisierung und Selbsthilfe
In Sokodé/Zentraltogo haben die Abgeschobenen seit 2008 begonnen, sich zu organisieren, und die „Association Togolaise des Expulsés (ATE) / togoische Vereinigung der Abgeschobenen)“ gegründet. Sie wollen gemeinsam ihre Lebensbedingungen verbessern und sich in der Gesellschaft Gehör verschaffen. Angesichts ihrer schlechten ökonomischen Situation und fehlender Berufsperspektiven wollen sich die Mitglieder der ATE als ersten Schritt um praktische Selbsthilfe kümmern und ein Landwirtschaftsprojekt aufbauen, das eine Versorgungs- und Einkommensquelle für Abgeschobene bereitstellen soll. In diesem Rahmen wollen sie auch Seminare und Workshops organisieren, in denen sie Kenntnisse in Anbau und Viehzucht sowie in der Benutzung von Computer und Internet vermitteln. Vor Ort in Sokodé arbeitet die ATE zusammen mit anderen sozialen Basisinitiativen, unter anderem mit Kinder- und Jugendclubs, die sich für Zugang zu Bildung, Rechte von Mädchen und Frauen und verbesserte medizinische Versorgung und Gesundheitsaufkärung einsetzen.
Die ATE strebt auch andere Formen praktischer Unterstützung an: Sie will Abgeschobene nach ihrer erzwungenen Ankunft am Flughafen von Lomé abholen und ihnen bei Bedarf medizinische Versorgung und eine Bleibe für die erste Zeit vermitteln. In Zusammenarbeit mit antirassistischen AktivistInnen in Deutschland will sie Abgeschobene dabei unterstützten, die Erstattung einbezahlter Rentenversicherungsbeiträge einzufordern oder den Kontakt zu Angehörigen, von denen sie durch die Abschiebung getrennt wurden, wiederherzustellen.
Eine Stimme für die Abgeschobenen
Längerfristig strebt die ATE an, die missliche Lage der Abgeschobenen von togoischer Seite her öffentlich zu thematisieren und damit den Kampf, den antirassistische Gruppen in Europa gegen Abschiebungen nach Togo führen, zu unterstützen. Die ATE steht auch im Kontakt mit der „Association Malienne des Expulsés (AME)“ aus Mali, wo selbstorganisierte Gruppen von Abgeschobenen heute ein wichtiger zivilgesellschaftlicher Machtfaktor sind. Gewiss ist es in Togo, verglichen mit Mali, vor dem Hintergrund der bis heute andauernden Erfahrungen mit einem dikatorischen Regime ungleich schwieriger, eine soziale Protestbewegung aufzubauen; gleichzeitig mangelt es durch das jahrzehntelange repressive politische Klima an derartigen Erfahrungen. Um Erfahrungen aus ihren politischen Kämpfen weiterzutragen und gemeinsam stärker zu werden arbeitet die AME aktuell daran, in ganz Westafrika eine Kooperation zwischen Organisationen und sozialen Bewegungen aufzubauen, die für Migrant_innenrechte eintreten – auch die ATE und andere Gruppen aus Togo sollen darin vertreten sein.
Kontakt zur ATE:
Association Togolaise des Expulsés,
Siege: Sokodé/Quartier de Didaouré
E-Mail: atesoko@live.fr
Gerit Boekbinder / Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen, München