26. Juli 2013 | Pressemitteilung von Afrique-Europe-Interact zur zweiten Bürgerversammlung

Allgemeines Wahlfieber in Mali trotz massiver Kritik an verfrühtem Wahltermin. Basisinitiativen fordern aktive Beteiligung der Bevölkerung am post-elektoralen Prozess

Immer wieder haben VertreterInnen der malischen Zivilgesellschaft in den letzten Monaten den insbesondere von Frankreich aufgezwungenen Wahltermin am 28. Juli als verfrüht kritisiert – und das zu Recht, wie zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung der Wahlscheine zeigen: So sollen nach Informationen der Wahlkommission im Wahlregister nicht nur die 18-Jährigen im großen Stil fehlen, sondern auch die BewohnerInnen von hunderten Dörfern und Kleinstädten sowie ein Großteil der in den Nachbarländern Burkina Faso, Mauretanien und Niger ausharrenden Kriegsflüchtlinge.

Und doch berichten BasisaktivistInnen aus Bamako, dass mittlerweile eine Art “demokratischer Frühling” ausgebrochen sei, d.h. ein ausdrückliches Bemühen der Bevölkerung,“sich den Wahlprozess anzueignen”, wie es in einem Manifest der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact heißt. Denn in dem “rauschenden Festival der Versprechungen und Absichten” seitens der 28 Präsidentschaftskandidaten hätte, so das Manifest weiter, die Bevölkerung seit Beginn des Wahlkampfes den wahren Gehalt von Schlagworten wie “Veränderung, Dialog, Zusammenhalt und sozialer Entwicklung” besser denn je verstanden.

Veröffentlicht wurde besagtes Manifest anlässlich einer von Afrique-Europe-Interact am 21. Juli zum zweiten Mal in Bamako durchgeführten Bürgerversammlung (“assemblée citoyenne”). Gekommen waren knapp 400 Menschen – über 100 von ihnen Vertriebene aus dem Norden, darunter zahlreiche VertreterInnen von Tuareg- und arabischen Communities. Das Treffen fand mitten auf einem öffentlichen Fußballplatz im Stadtteil Djellibougou statt, um auch die Teilnahme der ganz normalen (überwiegend über Radio mobilisierten) Bevölkerung zu gewährleisten. Wie schon bei der ersten Bürgerversammlung am 4. Mai stand die kritische Auseinandersetzung mit Korruption, Misswirtschaft und Straflosigkeit im Zentrum der Konferenz. Denn die zentrale These des Bürgerversammlungsprozeses lautet, dass es in Mali keineswegs einen ethnisch aufgeladenen Konflikt zwischen Süden und Norden gebe, wie es die selbst durch große Teile der Tuareg-Bevölkerung kritisierten Tuareg-Rebellen der MNLA unermüdlich behaupten. Entsprechend mussten sich bei der Bürgerversammlung VertreterInnen verschiedener Parteien – unter anderem von der bisherigen Regierungspartei ADEMA – den kritischen, im Vorfeld bereits veröffentlichten Fragen der TeilnehmerInnen stellen.

Aus Sicht der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact ist das derzeitige Wahlfieber alles andere als zufällig. Vielmehr bringe es, so Alassane Dicko von der Assoziation der Abgeschobenen Malis (AME), das tief sitzende Bedürfnis sowohl der städtischen als auch der ländlichen Bevölkerung zum Ausdruck, endlich an den politischen Prozessen des Landes ernsthaft beteiligt zu werden. Es knüpft insofern an die Aufbruchstimmung anlässlich des von der breiten Bevölkerung überwiegend begrüßten Putsches im März 2012 an. Denn dieser Putsch habe die Demokratie nicht beschädigt, wie es insbesondere in Europa immer wieder hieß, sondern vielmehr vor ihrer endgültigen Zerstörung durch die politische Klasse um den langjährigen Präsidenten Amadou Amani Touré gerettet. Vor diesem Hintergrund scheint es auch folgerichtig, dass viele der zur Wahl stehenden Kandidaten angekündigt haben, im Falle eines Wahlsiegs eine Art nationaler Konferenz (“concertations nationales”) einberufen zu wollen, um den Wünschen und Erwartungen der Bevölkerung ausdrücklich Gehör zu verleihen.

Die beiden Bürgerversammlungen wurden mit 9.000 Euro seitens der europäischen Sektion von Afrique-Europe-Interact unterstützt – Geld, das ausschließlich durch kleinteilige Spendenaktivitäten zusammengekommen ist.

Für Rückfragen steht Ihnen Olaf Bernau zur Verfügung: 015152527776. Zudem stellen wir gerne Kontakt zu französisch- und englischsprachigen AktivistInnen in Bamako her.