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MALI: Das Falea-Projekt

Widerstand gegen Uranabbau

Im Dezember 2008 habe ich langjährige Freunde aus Mali getroffen, Many Camara und Nouhoum Keita. Many ist Soziologe (Universitätsprofessor in Bamako) und Nouhoum Journalist bei Radio Kayira, eine freie Senderkette, die «Stimme der Stimmlosen». Beide stammen aus Falea in Mali.

Der französische Atomkonzern Cogema (heute AREVA) hat in Falea vor Jahren Uran-, Kupfer- und Bauxit-Vorkommen entdeckt. Im Jahre 2007 hat die malische Regierung mit der Firma Delta Explorations Inc. (1) einen Geheimvertrag über den Abbau dieser Rohstoffe abgeschlossen. Inzwischen soll diese Aktivität an eine kanadische Firma, die Rockgate Capital Corp. abgetreten worden sein. (2) 

In Falea wurde 2008 eine Luftlandepiste gebaut. Die möglichen Rohstoffadern werden alle 200 m mittels Kernbohrungen bis in 300 m Tiefe geortet. Eine geologische Kartographie für Tag- oder Untertagabbau entsteht. Wöchentlich werden die Bohrkerne mit Antonow Flugzeugen in ein Laboratorium verschickt.

Die Gegend von Falea berührt das Grenzland zu Guinea und Senegal und war bislang relativ unberührt. Landschaftlich eher hügelig, eine Art Voralpengebiet, ist sie wild- und artenreich es gibt noch Tiger, Löwen und richtigen Urwald. Auf den etwa 150 km2 leben 15.000 Einwohner. Die Gegend ist während mehrerer Monate (Regenzeit) eine Enklave, das heißt vom malischen Kernland durch den Strom Faleme abgetrennt.

In Mali fanden Ende April 2009 Gemeindewahlen statt. Nouhoum wollte angesichts des drohenden Uranabbaus in Falea kandidieren. Doch hätte er mindestens sechs Monate vor der Wahl dort seinen offiziellen Wohnsitz einnehmen müssen. Er entschloss sich daher, in Absprache mit seiner Partei – SADI (3) – sich im ersten Stadtbezirk von Bamako aufstellen zu lassen. Als Mitorganisator und Kommunikationsverantwortlicher des Weltsozialforums in Bamako, Journalist und Gründungsmitglied vom Radio-Netzwerk Kayira (4) waren seine Chancen, gewählt zu werden, relativ groß.

Der Soziologieprofessor Many Camara konnte im Januar 2009 das erste Mal seit seiner Nierenoperation 2003 in Frankreich für einige Wochen nach Mali reisen und mit Nouhoum nach Falea fahren. Neben dem Besuch seiner großen «Familie» diskutierten sie mit vielen Einwohnern, dem Gemeinderat und den Dorfältesten über die Lage angesichts des drohenden Abbaus von Uranerz. In der Folge wurde in Bamako ein Verein Ehemaliger aus Falea gegründet. Dieser hat zum Ziel, eine andere als die sich abzeichnende Entwicklung für Falea zu fördern.

Zusammenfassung einer Kabale
 
Zur Wahl Nouhoums ist es nicht gekommen. Der Journalist wurde im Vorfeld der Gemeindewahlen auf der Grundlage falscher Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert.

Was ist passiert: Nouhoum Keita erfuhr im Juli 2008, dass eine Fotokopie seines Passes mit einem anderen Namen für den betrügerischen Empfang einer Zahlung von einem indischen Geschäftsmann verwendet wurde. Um Aufklärung in dieser mysteriösen Sache bemüht und um seinen guten Ruf und seine Integrität besorgt, erstattet Nouhoum bei der Polizei Anzeige zur Ermittlung der unbekannten Täterschaft. Bei einer Gegenüberstellung hatte der indische Geschäftsmann ausdrücklich präzisiert, dass er Nouhoum nicht kenne. Nachdem Nouhoum bei der Staatsanwaltschaft Klage gegen Unbekannt eingereicht hat, verklagt ein malischer Rechtsanwalt im Auftrag des in der Folge angeblich unauffindbaren indischen Geschäftsmannes Nouhoum wegen Beihilfe zum Betrug. Auf Grund eines von einem Polizeioffizier gefälschten Vernehmungsprotokolls stellte der zuständige Untersuchungsrichter einen Festnahmebefehl aus. Nouhoum wird am 27. September 2008 verhaftet, doch noch am gleichen Tag «provisorisch freigelassen».

Er erhebt seinerseits am 21. Oktober 2008 Anklage gegen den Polizeioffizier, der das erwähnte Vernehmungsprotokoll gefälscht hatte, wegen «Verleumdung und falscher Zeugenaussage». Nach einem Monat ergebnislosen Wartens beantragt Nouhoum eine Aussprache beim Justizminister von Mali, welcher ihn am 23. Januar 2009 empfängt. Doch das Gespräch bringt keine Bewegung in das Verfahren. So kündigt Nouhoum am 25. Februar 2009 in einem freien Radio in Bamako an, dass er ein aktualisiertes Dossier erstellen werde, um erneut Klage gegen Unbekannt einzureichen. Am folgenden Morgen wird Nouhoum festgenommen und ins Zentralgefängnis von Bamako überführt. Am 15. April 2009, nach 49 Tagen, wird er wieder freigelassen (5).

Die Gemeinderatswahlen fanden - ohne den Kandidaten Nouhoum Keita – im ersten Bezirk von Bamako am 31. April 2009 statt. Einige Tage nach dem Gemeindewahltermin wurde versucht, das Schweigen Nouhoums zu kaufen. Die politische Partei SADI hat bei den Gemeindewahlen 275 Sitze vor allem im ländlichen Raum gewonnen, aber keine Vertretung in Gemeindeparlament der Hauptstadt.

Das alternative Falea-Projekt 

- Eine umfassende Bestandesaufnahme über das geologische, geographische, klimatische, landschaftliche, gesellschaftliche, historisch gewachsene Potential sollte realisiert werden. Eine Art Referenzstudie zum Ist-Zustand vor dem Uran Abbau.

- Falea sollte international vernetzt werden.

- Gemeindepartnerschaften in verschiedene Länder in allen Kontinenten, besonders dort, wo die beteiligten Konzerne ihre Niederlassungen haben, sollten angestrebt werden.

- Die Opposition gegen den sich abzeichnenden unkontrollierten und rücksichtslosen Rohstoffabbau – die Piste für Antonow Transport Flugzeuge endet wenige Meter vor dem Kindergarten von Falea – möchte für Ende Januar Anfang Februar 2010 eine kleine Delegation von Vertretern aus verschiedenen Ländern zu einem diskreten Augenschein einladen.

Vielleicht könnte in Falea eine Institution geschaffen werden, die in Zusammenarbeit mit Universitäten Richt-linien für einen die Umwelt, die Demokratie, die Gemeindeautonomie und die Einwohner respektierenden Abbau lokal vorhandener Rohstoffe erarbeiten kann. Negative Beispiele in Afrika und anderswo gibt es genug.

1. Delta beutet bereits die malischen Goldminen aus

2. Liste der involvierten Firmen: Cogema (AREVA), Rockgate Capital Corp, Delta Explorations Inc, BOART LONGYEAR

3. Solidarité africaine pour la démocratie et l'indépendance

4. http://www.kayira.org/

5. Der Aufruf für die internationale Solidaritätskampagne zugunsten von Nouhoum KEITA, die zu seiner Freilassung beigetragen hat, kann bestellt werden

Quelle: Archipelausgabe 176 (11/2009)