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Februar 2007 | Stop EPAs - ein großes WSF-Thema

Die EU will mit neuen Abkommen ihre Stellung auszubauen

Von Annette Groth und Günter Rath

Auf dem deutschen attac-Seminar zu den EPAs forderte Maltide Mwamini, resolute Direktorin eines kirchlichen Ausbildungszentrums für Frauen in Bukavu, der kongolesischen Grenzstadt zu Ruanda, eine kontinental angelegte Aufklärungskampagne über die EPAs. Ginge es nach Maltide, müssten die afrikanischen NGOs und Kirchen, aber auch die Regierungen, verstärkt über die negativen Auswirkungen der EPAs aufklären und zum breiten Widerstand aufrufen. Denn wie alle Studien zeigen, werden die EPAs große negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft der AKP-Staaten haben. Frau Mwamini räumte allerdings auch ein, dass vermutlich viele afrikanische Regierungsvertreter, die mit der EU über die EPAs verhandeln, nicht genau wissen, welche Implikationen die Freihandelsabkommen haben. Auch äußerte sie die Vermutung, dass afrikanische Regierungen “ihre Völker verkaufen”, wenn ihnen direkte Vorteile aus den Abkommen erwachsen würden.

Dass die französischsprachige Maltide Mwamini von den Auseinandersetzungen über die EPAs bis zum WSF nichts wusste, ist auch ein Beleg für die Zerrissenheit des Kontinents in anglophone, frankophone und lusitanische Sprachgebiete, die noch heute den Stempel der ehemaligen europäischen Kolonialmächte tragen. Die meisten EPA-AktivistInnen in Afrika stammen aus anglophonen Ländern und auch das Informationsmaterial auf dem WSF war überwiegend in englischer Sprache. Um interessierten Frankophonen die aktive Teilnahme zu ermöglichen, wurde der attac-EPA-Workshop spontan mit freiwilligen ÜbersetzungshelferInnen zweisprachig abgehalten.

Im Gegensatz zu vielen Workshops, die oft eine dominierende Anzahl von europäischen/amerikanischen oder afrikanischen ZuhörerInnen hatten, war das attac-EPA-Seminar gut gemischt. Der zweite attac-Workshop über die neue EU-Handelsstrategie vom Oktober 2006 (1) zog überwiegend EuropäerInnen an, jedoch waren insgesamt 15 verschiedene Nationen vertreten. Einhelliges Resümee des Handelsstrategie-Workshops war die Erkenntnis, dass wichtige EU-Dokumente verstärkt in Umlauf gebracht werden müssen und dass es die Aufgabe der Zivilgesellschaft sei, diese zu publizieren und zu verbreiten, weil die Mainstream-Medien das nicht tun. Die Teilnehmenden versprachen, sich gegenseitig über EU-Handelsabkommen und -strategien zu informieren, sie in den jeweiligen Ländern bekannt zu machen und das Bewusstsein über die Bedeutung der europäischen Handelspolitik zu schärfen. Als wichtige Akteure wurden die europäischen Gewerkschaften genannt, die der internationalen bzw. europäischen Dimension des Arbeitsplatzabbaus und der Aushöhlung gewerkschaftlicher Rechte bislang noch nicht adäquat begegnet sind.

Seit Anfang Januar läuft eine internationale E-Mail-Aktion gegen die EPAs. Adressantin dieser Aktion ist Dank der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Bundeskanzlerin Merkel, auf Kopien können sich die Minister Glos und Wieczorek-Zeul freuen. Zu einem internationalen Protesttag vor den deutschen Botschaften ruft das internationale Stop-EPA-Bündnis am 19. April auf. Damit soll Druck auf die deutsche Regierung ausgeübt werden, die wiederum ihren Einfluss auf die anderen EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission geltend machen soll, um a) alternative Abkommen zu den EPAs zu suchen, die Armut reduzieren und Entwicklung fördern sollen, b) sicher zu stellen, dass die AKP-Staaten nicht zu Verhandlungen über Themen gedrängt werden, die sie in den WTO-Verhandlungen bereits abgelehnt haben (z.B. Investitionen, öffentliche Beschaffungswesen), und um c) sicher zu stellen, dass neue Handelsabkommen arme Länder nicht zur Marktöffnung zwingen, die sie einem unfairen Wettbewerb aussetzen.

Schließlich soll dieser weltweite Aktions- und Protesttag die internationale Solidarität mit den AKP-Staaten und mit den gegen die EPAs engagierten sozialen Bewegungen zum Ausdruck bringen; die Medien sind aufgerufen, die Öffentlichkeit über die EPAs aufzuklären. (2) Mit dieser Aktion erhofft sich die Stop-EPA-Kampagne breite Unterstützung aus der europäischen Zivilgesellschaft.

Die Aufmerksamkeit, die den EPAs auf dem WSF zuteil wurden, hat den Stop-EPA-AktivistInnen einen großen Auftrieb gegeben, und es ist zu hoffen, dass die deutschen und europäischen NGOs den Entwicklungsagenturen der europäischen Handelspolitik und den EPAs in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken und sich hinter die Forderung stellen, die EPA-Verhandlungen vorerst auszusetzen.

Für die afrikanischen AktivistInnen liegt das Schicksal der Freihandelsabkommen in europäischer Hand. Ein Vorbild für eine fundamentale europäische Kritik ist der Bericht einer Delegation des Europa-Ausschusses der Französischen Nationalversammlung, der im Juli 2006 veröffentlicht wurde und als “absolut notwendige” Konsequenz fordert, der EU-Kommission das Verhandlungsmandat zu entziehen. Vielen AktivistInnen auch den französischen – war dieses kritische Dokument nicht bekannt. Es ist zu wünschen, dass sich andere EU-Mitgliedsstaaten der Kritik und der radikalen Forderung anschließen. (3)

Anmerkungen:
1) http://ec.europa.eu/trade/issues/ sectoral/competitiveness/ pr041006_en.htm
2) www.epa2007.org
3) www.kasa.woek.de/aktuell

Aus: ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 514 / 16.2.2007