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März 2013 | Die weltweite Ausbeutungspyramide am Beispiel Afrika

Von Jascha Jaworski, veröffentlicht auf Maskenfall

Einer unserer Leser bemerkte kürzlich, dass wir mit unseren Darstellungen zur wirtschaftlichen Entwicklung und Ungleichheit bisher den globalen Maßstab außer Acht ließen. Das stimmt. Bisher haben wir uns auf europäische Staaten und stellenweise zusätzlich die USA beschränkt, die weltweite Ausbeutungsdynamik hingegen nur in Randbemerkungen kritisiert. Betrachtet man die weltweiten Verteilungsverhältnisse, ist festzustellen, dass die Menschen in den Industriestaaten natürlich die Privilegierten dieser Welt sind. Sie verfügen i.d.R. über Zugang zu sauberem Wasser, Schulbildung, genügend Nahrung, eine warme Behausung, medizinische Versorgung und vieles mehr, wovon die meisten Menschen in den Entwicklungsländern nur träumen können.1 In diesen privilegierten Status sind die Bevölkerungen der Industrieländer auch dadurch versetzt, dass ihre Wirtschaftsräume auf die Rohstoffe und Arbeit anderer Länder zurückgreifen können. Umso wichtiger wäre es, dass diese Ressourcen mit angemessenen Gegenleistungen verbunden wären, die wiederum den Menschen in den weniger entwickelten Ländern dieser Welt einen „gerechten“ Ausgleich bringen würden und einen raschen wirtschaftlichen Aufstieg ermöglichten. Doch dies wird verhindert durch die historisch und mit Gewalt hervorgerufene Machtasymmetrie im Verteilungsregime, die dafür sorgt, dass der absolute Mangel in der Welt bestehen bleibt und jeden Tag zehntausende Menschen an Hunger oder heilbaren Krankheiten sterben, obwohl die Produktivkräfte der Welt in der Lage wären, dies zu verhindern. Diese Bedingungskonstellation beruht auf den real existierenden Wirtschaftssystemen, die zum großen Teil über den Handel an Märkten den Rahmen dafür bilden, was (Angebot) aufgrund von wessen Bedürfnissen und Geheiß durch Kaufkraft (Nachfrage) produziert wird, welche Austauschrelationen (Preise) hierbei bestehen und wie aufgrund dieser Prozesse die Verteilungsverhältnisse aussehen (Lohn, Gewinn, Vermögen, Schulden). Neben der Verwüstung durch transkontinentale Konzerne, der Plünderung der Entwicklungsländer, der Ausbeutung durch Billiglöhne, der Versklavung von Menschen durch Mittellosigkeit, dem Angst erzeugenden Abbau sozialer Leistungen und der Entrechtung der Lohnabhängigen, ist es auch die medial organisierte Ablenkung der Zivilgesellschaften vom Verstehen und Nachdenken über diese entscheidenden Sachverhalte, die zu den Verbrechen dieser Welt gehören.

Von 1981 bis 2008 ist die Weltbevölkerung von etwa 4,5 Mrd. Menschen auf 6,7 Mrd. Menschen, d.h. um rund 50% gewachsen.2 In den letzten Jahrzehnten ist unter der bestehenden Weltwirtschaftsordnung die globale Wirtschaftsleistung (BIP) real von rund 27 Bio. US-$ (1981) auf rund 65 Bio. US-$ (2008) angestiegen3. Die Anzahl jener Menschen, die laut Weltbank-Definition als absolut arm gelten4 hat sich hierbei lediglich von rund 1,9 Mrd. Menschen (1981) auf rund 1,3 Mrd. (2008) reduziert5. Obwohl die Weltwirtschaftsleistung mit ca. 140% wesentlich schneller gewachsen ist als die Weltbevölkerung (ca. 49%), ist die Anzahl der Menschen, die von absoluter Armut betroffen sind, lediglich um rund 30% zurückgegangen. Betrachtet man die Entwicklung bei jenen Menschen, die weniger als 2 US-$ (PPP) pro Tag zur Verfügung haben und setzt die Armutsgrenze somit etwas höher an, hat sich die Anzahl sogar fast gar nicht reduziert.6

Für wen die bestehende Weltwirtschaftsordnung gemacht wurde, lässt sich im World Wealth Report 2012 nachlesen. Gerade in Zeiten der Finanzkrise lag die Zuwachsrate bei den sog. Centa-Millionären, also jenen Personen, die über 100 Mio. US-$ oder mehr verfügen, im Zeitraum von 2006 bis 2011 bei 29%. Diese Gruppe von Multi-Millionären bis Multi-Milliardären umfasste 2011 ca. 63 000 Personen, die über ein Gesamtnettovermögen von rund 40 Bio. US-$ verfügten. Besagter World Wealth Report spricht hier unverblümt von einer Plutonomie, einem System, in dem das globale Wirtschaftswachstum weitgehend auf das obere 1% entfällt. Während 2012 870 Mio. Menschen weltweit hungerten und viele tausend jeden Tag aufgrund des Mangels elend starben, explodierte also der Reichtum bei den relativ Wenigen. Umso erschütternder ist es, dass das Problem des Hungers hierbei kein Problem der weltweiten Nahrungsmittelkapazitäten ist, sondern gerade eines der Armut.

Der größte Anteil an Unterernährten ist hierbei in Afrika zu finden, dem Kontinent, der zugleich die höchsten Armutsquoten aufweist. Hauptsächlich an diesem Beispiel soll nachfolgend ein wenig erläutert werden, über welche Mechanismen die Mehrheit der Menschen in den Entwicklungsländern durch die Wirtschaftsregime vornehmlich der Industriestaaten7 in ihrem Leid gehalten wird.

Eine Handelspolitik, die Armut konserviert

Vielen Menschen in westlichen Industrieländern, die über Afrika nachdenken und sich nach den Ursachen für die offenkundige Armut fragen, kommen vielleicht bewaffnete Konflikte, korrupte Eliten und mangelnde Technologien in den Sinn. Vielleicht gestehen sie noch ein, dass die Konflikte und Eliten auch ein Ergebnis kolonialer Wüterei sind, bei dem ein Kontinent ohne Rücksicht auf sprachliche, ethnische oder religiöse Gegebenheiten in Staatsgrenzen rein nach dem Gutdünken europäischer Regierungen zerteilt wurde, wie dies etwa 1884/85 auf der Kongo-Konferenz der Fall war. Seltener jedoch herrscht ein Bewusstsein dafür vor, was der Anteil der eigenen, zeitgenössischen Regierungen an der Aufrechterhaltung der materiellen Not sein könnte: „Wir leisten doch schon Entwicklungshilfe! Und vergessen wir die TV-Spendengalas nicht!“

Über die Auswirkungen westlicher Handelspolitik hingegen lässt sich schlecht nachdenken, da wenig Wissen über wirtschaftliche, geschweige denn außenwirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt wird. Doch wir leben in einer arbeits- und ressourcenteiligen Welt und es gibt mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF)8 Institutionen, die, unter dem Deckmantel einer Förderung des Welthandels zum Wohle aller, bislang die Interessen ihrer Kapitalmehrheitseigner (der Industrieländer) durchgesetzt haben. So wurden die meisten Entwicklungsländer (auch außerhalb Afrikas)9 im Laufe der 1980er und 90er Jahre im Gegenzug für Kreditzahlungen sog. „Strukturanpassungsprogrammen“ unterworfen, die als eines von vielen Kernelementen die Liberalisierung des Außenhandels vorsahen, d.h. Abbau von Maßnahmen wie z.B. Zöllen, die den heimischen Markt vor günstigen ausländischen Produkten aus Industrieländern schützen sollten. Offiziell verlautbartes Ziel war eine Modernisierung der dortigen Wirtschaft durch ein Verschwinden ineffizienter Unternehmen vom Markt, sowie der Ausbau des Exportsektors zum Wachstumsmotor, um die Auslandsverschuldung zu verringern. Erreicht wurde dies jedoch nicht, sondern es stieg die Arbeitslosigkeit, es nahmen Armut und Ungleichheit zu, es wurden die nationalen Produktionskapazitäten abgebaut und von den gesteigerten Exporterlösen in einigen wenigen Sektoren profitierten vornehmlich die ansässigen ausländischen Konzerne.10 Die hierbei aufgenötigten Rezepte werden intellektuell flankiert von ökonomischen Theorien, deren Annahmen zum Teil abenteuerlich idealisiert und unter empirischen Gesichtspunkten schlicht falsch sind. So wird der Freihandel etwa gerechtfertigt durch die Lehre vom sog. „komparativen Kostenvorteil“, bei dem jedes Land einfach das herzustellen habe, was es relativ am besten kann. Dass von diesem unbeschränkten Außenhandel dennoch propagiert wird, er würde allen Beteiligten nutzen und nicht etwa die einen zu Gunsten der anderen niederkonkurrieren und ihre Wirtschaftsstrukturen zugrunde richten, wird durch aberwitzige, jedoch stillschweigend vorausgesetzte Rahmenbedingungen wie Planwirtschaft und unbegrenzte Nachfrage erreicht.11

Neben Strukturanpassungsprogrammen, die die ökonomische Basis afrikanischer, aber auch anderer Entwicklungsländer teilweise dramatisch verschlechtert haben, besteht ein weiteres Moment der Drangsal ausgeübt von den Industrieländern gegenüber afrikanischen Ländern in der Verschlechterung von Handelsbedingungen. Von 1975 an galt zwischen den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Südpazifik) und der damaligen EWG das sog. Lomé-Abkommen. Dieses sah vor, dass die EWG auf einen freien Zugang zu den Märkten der AKP-Staaten verzichtet, jedoch ihrerseits keine Handelsbeschränkungen gegenüber diesen Staaten auf den eigenen Märkten setzt12. Diese Verträge werden allgemein in einen Zusammenhang mit der Verantwortung der EWG-Staaten als ehemalige Kolonialmächte im Rahmen von Entwicklungshilfemaßnahmen gestellt. Nachdem jedoch 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde, galt das Lomé-Abkommen als nicht mehr vereinbar mit den Regeln dieser neuen Institution13. Unter diesem willkommenen Vorwand drängt die EU seit 2002 zur Durchsetzung sog. „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPAs) mit den AKP-Staaten. Diese Abkommen sehen eine weitgehende Öffnung der AKP-Märkte für Güter aus der EU vor. Sollten derartige Abkommen umgesetzt werden, wären die Konsequenzen für die AKP-Staaten verheerend. So würden u.a. Importzölle wegfallen, wodurch die Staatseinnahmen dieser Länder drastisch reduziert würden. Lokale Märkte würden zudem noch weniger als bisher vor europäischen Billigimporten geschützt werden können, so dass einheimische Anbieter ihre Existenzgrundlage verlören und die Möglichkeit der Einkommensbildung in den Ländern weiter reduziert würde. Bereits unter den jetzigen Bedingungen überschwemmen subventionierte Lebensmittel aus der EU auf dramatische Weise die afrikanischen Märkte und entziehen deren Wirtschaftskreisläufen wichtige Einnahmen, die einen Wohlstandszuwachs bei der Mehrheit der Bevölkerung ermöglichen würden.

Dass die EU hierbei in erster Linie nicht nur notwendige Vorgaben der WTO umsetzt, sondern rücksichtslos den Ressourcenhunger der heimischen Unternehmen befriedigen will, wird dadurch ersichtlich, dass sie mit ihren Vorschlägen für EPAs deutlich über das hinausgeht, was von der WTO eingefordert wird. So sah ein EU-Entwurf für EPAs mit Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und Burundi vor, dass die von diesen Ländern eingeführten Exportsteuern nur noch sehr eingeschränkt und mit vorheriger EU-Genehmigung erhoben werden könnten, obwohl dies nicht zwingend aus den WTO Grundsätzen folgte. Hierbei sind Exportsteuern doch ein zentrales Element wirtschaftlicher Entwicklung in zahlreichen Ländern mit schwach ausgeprägter Industrie, das dazu dient, dass landeseigene Rohstoffe nicht mehr in dem bisher hohen Maße in unverarbeiteter Form an das Ausland verkauft werden. Heimischen Produzenten sollten die Exportsteuern hingegen einen besseren Zugang zu Rohstoffen ermöglichen, um so eine längere Wertschöpfungskette im Inland anzuregen, die letztlich Grundlage einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung wäre.14 Kenia etwa hat sehr positive Erfahrungen mit Exportsteuern für Tierhäute gemacht, die dazu führten, dass sich eine Wertschöpfungskette für den Export von Lederwaren aufbaute. Das eigentliche Ziel der EU bei der Einschränkung derartiger Exportsteuern im Rahmen von EPAs dürfte daher in Übereinstimmung mit der von ihr verfolgten Rohstoffinitiative allein darin liegen, ungehinderten Zugang zu den zahlreichen Rohstoffen besonders in Afrika zu sichern, ohne dabei Rücksicht auf Entwicklungsmöglichkeiten dieser Länder nehmen zu müssen.15 Wie sehr die EU ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu Lasten der afrikanischen Länder verfolgt, lässt sich auch daran ablesen, dass sie sich in ihren Verhandlungen zu den EPAs zugleich dafür einsetzt, dass afrikanische Staaten, die bereits vorläufige EPAs (sog. interim EPAs) ratifiziert haben, sich im Rahmen dieser Abkommen dazu verpflichten mussten, in Folgeabkommen über die Liberalisierung ausländischer Investitionen16, ausländischer Dienstleistungen, sowie des öffentlichen Beschaffungswesens17 zu verhandeln. Hierdurch eröffnen sich für die europäischen Unternehmen und Konzerne nämlich lukrative Geschäftsfelder der Zukunft.

Bisher konnten sich die meisten afrikanischen Staaten diesen Freihandelsabkommen widersetzen, doch der Druck seitens der EU wird rasch größer. Zahlreiche afrikanische Staaten, die sich auf kein „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ einlassen, fallen zurück auf andere Vereinbarungen im Handel mit der EU, die schlechtere Bedingungen für sie ausweisen, als dies momentan unter den noch gültigen Vereinbarungen der Fall ist.18 Eine EU-Handelspolitik, die sich an den Bedürfnissen Afrikas orientieren würde, würde zur Kenntnis nehmen, was der ehemalige Präsident von Tansania, Benjamin W. Mkapa äußerte: „We cannot continue to export a narrow range of products and import a broad range of finished goods on our way to development. The hard work of industrialization and food production must be done.“19

Gefangen in unfairen Schulden

Der Umstand, dass fast alle Länder Afrikas aus ihrer kolonialen Knechtschaft heraus bis zum heutigen Tag eine sehr einseitige Exportstruktur aufweisen, die zudem auf unverarbeiteten Rohstoffen basiert20, ist sehr bedeutsam, um die Auslandsverschuldung des Kontinents zu verstehen, die seit Ende der 70er Jahren aufgekommen ist und die Länder nachwievor an einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung hindert. Anfang der 70er Jahre stiegen im Zuge der ersten Ölkrise die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt rasant an. Einhergehend mit dieser Entwicklung verbesserte sich nicht nur die Kreditwürdigkeit Afrikas, sondern es wurden von vielen der dortigen Regierungen in Erwartung weiter steigender Rohstoffpreise umfangreiche Investitionen basierend auf Kreditgeldern in die Infrastruktur getätigt, um die heimischen Exportmöglichkeiten auszubauen.21 Die Industriestaaten als alte Kolonialherren fanden auf diese Weise neue Anlagemöglichkeiten für ihr überschüssiges Kapital, das in Anbetracht der allmählich gesättigten eigenen Märkte nach neuen Möglichkeiten zur Vermehrung suchte. Hierbei muss es nicht verwundern, wenn die aus den ehemaligen Kolonialstrukturen hervorgegangenen Führungseliten sich gern von den Ideen der Geldgeber inspirieren ließen und Mittel für solche Infrastrukturprojekte aufwendeten, die weniger den Bevölkerungen, mehr jedoch dem eigenen Prestige, Größenwahn und eben langfristigen Absichten der Geldgeber dienten. Nachdem die Rohstoffpreise Anfang der 80er Jahre wiederum stark abfielen, gerieten die Länder Afrikas aufgrund der einbrechenden Exporterlöse in enorme Zahlungsschwierigkeiten. Hier stand der IWF dann mit kurzfristigen Krediten zur Seite und fungierte als verlängerter Arm der Industriestaaten, um mit seinen ideologisch aufgeladenen „Strukturanpassungsprogrammen“, wie anfangs geschildert, die Wirtschaftspolitik der afrikanischen Länder festzulegen.

Die ansteigenden Zinsen im Zuge der monetaristischen Wende trieben diese Länder schließlich immer weiter in die Verschuldung. Betrug die Gesamtverschuldung von Subsahara-Afrika 1970-74 noch 11 Mrd. US-$, war sie bis 1985-89 auf rund 137 Mrd. US-$ angestiegen und lag 1995-2000 bei rund 223 Mrd. US-$.22 Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wies darauf hin, dass Subsahara-Afrika zwischen 1970 und 2002 insgesamt Kreditgelder im Umfang von ca. 294 Mrd. Euro erhielt und Kreditzahlungen in Höhe von 268 Mrd. Euro leistete, dennoch aber 2002 nachwievor Schulden in Höhe von 210 Mrd. Euro aufwies.23 Der Preis für die Tilgung der alten Schulden samt Zinsen waren also neue Schulden. Schaut man sich nun die Leistungsbilanz Subsahara-Afrikas an, wird ersichtlich, dass der Hauptteil des Defizits in dieser Zeit durch die Überweisung von Vermögenseinkommen in das Ausland entstand, d.h., die sich jährlich anhäufenden Schulden kamen hauptsächlich nicht dadurch zustande, dass Afrika mehr importierte als exportierte, sondern dadurch, dass es Zahlungen aufgrund ausländischer Eigentumsrechte zu leisten hatte, wie dies etwa aufgrund von Direktinvestitionen der Fall ist, wenn z.B. ein ausländischer Ölkonzern afrikanisches Öl fördert und seine Gewinne somit dem Herkunftsindustrieland zufließen.24

Die angesammelten Schulden Afrikas erdrücken den Kontinent. Gelder, die für den Zinsdienst aufgewendet werden, fehlen zur Versorgung der Bevölkerung. Anstatt Kindern Nahrung und Schulbildung durch Sozialprogramme zu ermöglichen, werden Gelder zur Bedienung der Eigentumsrechte der Industrieländer aufgewendet. Auf diese Weise werden viele millionen bedürftige Menschen in den Entwicklungsländern in lebensgefährlicher Unterversorgung gehalten (u.a. mangelnde Nahrungsmittelversorgung, sowie fehlende Programme zur Krankheitsprävention und -behandlung). Dabei verteilten sich 1992 über 80% der Schulden Subsahara-Afrikas auf öffentliche Gläubiger (Staatssektoren der OECD-Länder, IWF, Weltbank). Die Politikwissenschaftlerin Susan George wies darauf hin, dass es sich beim Volumen dieser Schulden um nichts weiter als „Peanuts“ für die reichen Industrieländer handele, und fragte, warum diese also an ihnen festhielten in Anbetracht der unmenschlichen Zustände, die durch sie bedingt werden.25 Erschwerend kommt hinzu, dass ein erheblicher Teil der Schulden als illegitim anzusehen ist, da Kreditgelder der Industrieländer etwa afrikanischen Diktatoren gewährt wurden, die damit Waffen kauften, um die Bevölkerung zu unterdrücken und ihre eigene nicht demokratisch legitimierte Macht zu erhalten.26

1996 wurde nicht zuletzt durch den Druck zivilgesellschaftlicher Kampagnen die sog. HIPC-Initiative27 seitens der großen Industrieländer beschlossen, durch die ein teilweiser Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt erfolgen sollte. Hierbei ging es sowohl um bilaterale als auch um multilaterale Schulden (u.a. IWF, Weltbank), die auf ein als „erträglich“ definiertes Niveau reduziert werden sollten.28 Die Schuldenerleichterungen sind allerdings gebunden an strenge Auflagen für die HIPC-Länder. Diese Auflagen sollen zwar offiziell sicherstellen, dass die Armut in den HIPC-Ländern reduziert wird, schaut man jedoch genauer auf die Konditionalitäten, wird deutlich, dass diese genauso wie die Auflagen im Rahmen der damaligen Strukturanpassungsprogramme dem neoliberalen Paradigma folgen und ein Hineinregieren in die Wirtschaftsräume ermöglichen sollen. So werden neben umfangreichen Privatisierungen auch Vorgaben zur Steigerung privater Investitionen gemacht. Diese Vorgaben sind so umfassend, dass sich Länder trotz Erfüllung der HIPC-Aufnahmekriterien sogar weigerten, sich auf die – offiziell als Erleichterung angedachten – Programme einzulassen.29 Ergänzend zur HIPC-Initiative wurde 2005 noch die sog. Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) gestartet, die einen kompletten Erlass der Verbindlichkeiten gegenüber IWF, Internationaler Entwicklungsorganisation (IDA) und Afrikanischem Entwicklungsfonds (AfDF) für jene Länder ermöglichen soll, die die HIPC-Initiative wie gewünscht absolviert haben. Die hierbei gewährten Hilfen werden jedoch nicht nur schön gerechnet, sondern die Initiative dient als Instrument zur Gefügigmachung der adressierten Länder gegenüber den Interessen der Industriestaaten.30 Bis 2005 sind durch die HIPC-Initiative und die MDRI maximal rund 60 Mrd. US-$ für alle ausgewählten Entwicklungsländer zusammen aufgewendet worden. In Anbetracht der Gesamtschulden allein der Entwicklungsländer Subsahara-Afrikas, die gemäß Weltbank 2004 bei 254 Mrd. US-$ lagen, muss es nicht verwundern, wenn die Effekte der Initiativen zum Schuldenerlass sich bei der tatsächlichen Entwicklung der Schulden lediglich wie ein kleiner Knick in der Kurve rund um das Jahr 2005 herausnehmen, um bis 2011 wiederum auf ein Niveau von 296 Mrd. US-$ angestiegen zu sein.31

In Anbetracht der zögerlichen und geringen Entschuldung von Entwicklungsländern, deren Schulden einen erheblichen Zahlungsaufwand für diese Länder bedeuten und den unmenschlichen Mangel in ihnen maßgeblich mitbedingen, in Anbetracht des nicht selten als unmoralisch anzusehenden Zustandekommens dieser Verschuldung unter Mitverantwortung der Gläubiger, in Anbetracht der „Peanuts“, die diese Schulden letztlich für die reichen Länder dieser Welt darstellen und in Anbetracht der neoliberalen Bedingungen rund um Privatisierung und Förderung ausländischer Privatinvestitionen, die den Entschuldungskandidaten abgefordert werden, zeichnet sich ein klares Bild davon ab, dass die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer aus der Perspektive der reichen Gläubigerländer (und hier natürlich wiederum der in ihnen herrschenden elitären Partikularinteressen) nicht etwa als ein tragisches Übel angesehen wird, sondern als eine effektive Methode, um Kontrolle über große Teile der Welt, sowie die in ihnen vorhandenen Rohstoffe zu erlangen.32

Weitere wirtschaftliche Mechanismen der Verelendung

Die vorangetriebene Globalisierung bringt es mit sich, dass wirtschaftliche Beziehungen über weite Distanzen hinweg recht verwinkelte, abstrakte Formen annehmen können, die dann jedoch zu sehr konkretem millionenfachen Leid führen. Ein Beispiel hierfür sind die Entwicklungen auf den globalen Rohstoffmärkten. Hier kam es ab 2007 zu einem extremen und sprunghaften Preisanstieg auch für Grundnahrungsmittel33. In der Folgezeit stieg die Unterernährung in Afrika dramatisch an und betraf 2008 238 Mio. Menschen.34 Auch die Aufstände in arabischen Ländern seit 2010 stehen im Zusammenhang mit den in jenem Zeitraum erneut explodierten Rohstoffpreisen.35 Menschen in afrikanischen Ländern sind von derartigen Preisschwankungen besonders betroffen, da sie einen Großteil ihres geringen Einkommens für Grundnahrungsmittel ausgeben, so dass sie zusätzliche Kosten hier nicht durch Verzicht in anderen Bereichen ausgleichen können. Wer z.B. in Ghana über 70% des Einkommens für Grundnahrungsmittel aufwendet, wie dies für mehr als ein Viertel der Bevölkerung der Fall ist, kann einen sich innerhalb von wenigen Monaten verdoppelnden Maispreis nicht bezahlen.

Die genannten Preisschwankungen für Grundnahrungsmittel lassen sich hierbei nicht plausibel auf sog. Fundamentaldaten zurückführen, zu denen etwa Ernteausfälle oder Bevölkerungswachstum zählen. Besser erklären lassen sie sich hingegen durch die zunehmende Nahrungsmittelspekulation von Investmentfonds36 (also Geldsammelstellen), die Gelder auf den Warenterminbörsen37 „investieren“, um von der Preissteigerung zu profitieren, auf diese Weise jedoch zugleich eine Preissteigerung auf diesen hervorrufen.38 Zwar bestimmen Warenterminbörsen lediglich einen Preis für Lieferungen in der Zukunft, doch haben sie eine wichtige Anzeigefunktion für die momentanen Preise. Investmentfonds, die auf steigende Zukunftspreise wetten, beeinflussen so auch den Preis in der Gegenwart, da etwa VerkäuferInnen Nahrungsmittel zurückhalten, um an den vorweggenommenen Preisanstiegen zu partizipieren oder weil HändlerInnen vorzeitig kaufen, um dem Preisanstieg zu entgehen, auf diese Weise jedoch durch vermehrte Nachfrage den Preis steigen lassen.

Nun könnte man meinen, dass zumindest die überwiegend kleinbäuerlich organisierten ProduzentInnen in Entwicklungsländern von steigenden Preisen einen Vorteil haben, doch dies ist weitgehend nicht der Fall, u.a. da sie nach der Erntezeit selbst zu KonsumentInnen werden. Stattdessen sind es die ZwischenhändlerInnen und Großbetriebe, die von Preissteigerungen profitieren.39 Besonders betroffen sind die kleinbäuerlichen ProduzentInnen zudem von den enormen Preisschwankungen, die ihnen die Planungsgrundlage entziehen und vielfach zur Zahlungsunfähigkeit führen. Auch hier spielten IWF und Weltbank wiederum eine entscheidende Rolle bei der Verelendung, da sie im Rahmen der bereits beschriebenen Strukturanpassungsprogramme, die sie den Entwicklungsländern abverlangten, dafür sorgten, dass sich die heimischen ProduzentInnen nach der Abschaffung von Subventionen seitens der Regierung auf den Anbau von Agrarrohstoffen für den Exportmarkt verlagerten. Zusätzlich forderten die Programme die Abschaffung staatlicher Vorratshaltung, so dass die Länder auch hierdurch abhängiger von den instabilen Weltmärkten für Nahrungsmittel wurden.40

Die steigenden Preise auf den Agrarrohstoff-Märkten beschleunigten noch ein weiteres Phänomen, das zunehmend zu Hunger und Existenzgefährdung in den ärmsten Ländern der Welt beiträgt: die sog. Landnahme (engl. „Land Grabbing“). Hierbei kaufen oder pachten Großanleger wie Hedgefonds oder Konzerne riesige landwirtschaftlich nutzbare Gebiete in den Entwicklungsländern auf, um darauf Rohstoffe für die umsatzstarken Märkte der Industrie- und Schwellenländer anzubauen. Häufig kommt es dabei zu gewaltsamen Vertreibungen der einheimischen Kleinbauern und -bäuerinnen, besonders solcher, die über keine formalen Besitztitel verfügen, sondern die Böden bislang aus Gewohnheitsrecht heraus als Lebensgrundlage nutzten.41 Eine Studie der Weltbank kommt auf eine Zahl von mehr 56 Mio. Hektar42, die in Form großflächiger Anbauflächen allein innerhalb des Jahres 2009 zum Geschäftsobjekt wurden. Hiervon lag der Großteil (ca. 2/3) in Subsahara-Afrika.43 Eine weitere Veröffentlichung der Weltbank-Studie44 zeigt auf, dass die größten Herkunftsländer der Investoren bislang das Vereinigte Königreich, China, sowie Saudi-Arabien sind (jeweils rund 10% Anteil).45 Aber auch europäische Finanzinstitutionen wie die Deutsche Bank, die Allianz oder die französische Großbank BNP Paribas sind durch speziell gegründete Fonds oder als Anteilseigner von Konzernen in großem Stil an dem Kauf oder der langfristigen Pachtung von Land in den Entwicklungsländern beteiligt.46 Selbst die Weltbank übt in ihrer Studie scharfe Kritik an der bisherigen Art und Weise, sowie den Konsequenzen von Landaufkäufen in Entwicklungsländern, wie sie immer umfassender erfolgen, da diese nicht nur mit Vertreibung, Entrechtung und Gewalt, sondern auch ohne die Schaffung nachhaltiger Einkommensmöglichkeiten für die betroffenen Bevölkerungen einhergehen. Hierbei kommt die Weltbank jedoch leider nicht auf die eigene Rolle durch die ihr zugehörige International Finance Corporation (IFC) bei der Förderung derartiger Privatinvestitionen zu sprechen.47

Die Führungsetage von Absurdistan

Hält man sich die wirtschaftlichen Zusammenhänge der sich globalisierenden Welt vor Augen und legt humanistische Maßstäbe allein an das Handeln der eigenen, doch eigentlich demokratisch legitimierten Regierungen an, wird die umfassende Absurdität schnell sichtbar und all jene Vernunft, die im alltäglichen Nahbereich noch selbstverständlich scheint, ist verschwunden. Überschüssige Finanzmittel in den USA und Europa, die durch vier Jahrzehnte neoliberaler Umverteilung von unten nach oben entstanden sind, suchen weiterhin verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten auf den Finanz-, Währungs- und Rohstoffmärkten. Sie führen dabei nicht nur zu Immobilienblasen und Wirtschaftskrisen, wie erst jüngst in den westlichen Industriestaaten, sondern ebenfalls zu Rohstoffpreisexplosionen, die die Menschen in den armen Ländern in noch grausamerer Zahl verhungern lassen. Mit immer höheren Werbeetats bemühen sich die immer stärker kapitalkonzentrierten Konzerne die Nachfrage der aufgrund von Niedriglohn, Sozial- und Rentenkürzung immer weniger kaufkräftigen Durchschnittsbevölkerungen in den Industriestaaten anzuheizen. Es soll der Befriedigungsersatz in der sinnentkernten Konsumption gefunden werden, wenn doch die Alltagswelt zunehmend von Druck und Zukunftssorgen geprägt ist. Die ausgeweiteten und von Wesentlichkeiten wegverlagerten Bedürfnisse, die in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und allgemeinen Lohnsenkungslogik zu immer stressigerer Einkommenskonkurrenz bei der Mehrheit führen, werden schließlich durch Kapitalfeldzüge in die ärmsten Regionen der Erde dadurch erfüllt, dass umfassende Verfügungsgewalt über die natürlichen Schätze dieser Länder errungen wird. Ein Verhalten, das, aus Kolonialzeiten bekannt, in den „fortschrittlichen“ und „aufgeklärten“ Demokratien unter dem Deckmantel der „gemeinwohldienlichen“ Wirtschaftsinteressen mit ihren Direktinvestitionen und Wachstumspotentialen, unter dem Banner einer „Corporate Social Responsibility“, flankiert noch von dem wolkig definierten „Krieg gegen den Terrorismus“, fortgeführt wird. Was die Konsequenzen dieser Ausbeutungspyramide anbelangt, die auf der untersten Etage als Krieg, Hungertod und Flüchtlingsströme sichtbar werden, so schotten sich die oberen Etagen entweder ab48 oder erschließen sich gar neue Geschäftsfelder aus diesen.49 Doch wie der anfänglich erwähnte World Wealth Report feststellt: die Spitze floriert. Oder in den Worten seiner Autoren: „…the relentless growth of “plutonomy” economics, a phenomenon that sees the wealth of the richest 1% growing far quicker than that of the general population…“.

Zusatz:

Zum Thema Verschuldung Afrikas siehe die Arte Dokumentation „Wie viel Schulden erträgt Afrika?“

1 Derartige Errungenschaften sind jedoch auch in den Industrieländern gefährdet, wie uns nicht nur die Armut in jenen Industrieländern zeigt, die über ein schwaches Sozialsystem verfügen, sondern auch die Entwicklungen unter neoliberaler Verelendung, die sich momentan vornehmlich in Südeuropa ereignet. In den Industrieländern bleibt jedoch festzuhalten, dass der insgesamt vorhandene Reichtum so ausgeprägt ist, dass jeder Mensch ein Leben ohne Mangel und Angst führen könnte. Dass dies nicht zu beobachten ist, liegt natürlich daran, dass dieser Reichtum – zurückhaltend formuliert – äußerst unzivilisiert verteilt ist. Dies ist ein Umstand, der besonders unter dem Gesichtspunkt empört, dass wir es ja zumindest formal mit Demokratien zu tun haben, in denen somit die Voraussetzungen vorliegen, dass die Interessen der Mehrheit der Menschen umgesetzt würden. Jedoch leistet hier die Propaganda durch Medien und Herrschaftsinstitutionen jenen Dienst, der in Feudalsystemen und Diktaturen dem Militär obliegen würde.

2 Weltbank, World Data Bank, http://databank.worldbank.org/data/

3 Zahlen sind ausgedrückt in Kaufkraftparität (PPP) und auf das Jahr 2005 bezogen. Quelle: Weltbank, World Data Bank, http://databank.worldbank.org/data/

4 Absolute Armut liegt gemäß dieser Definition dann vor, wenn eine Person weniger Geld zur Verfügung hat, als es 1,25 US-$ ausgedrückt in US-amerikanischen Preisen (Warenkorb) von 2005 entsprechen würde (Abk.: 1,25 US-$ PPP).

5 Siehe Weltbank, World Bank for Results 2012, S. 3, http://siteresources.worldbank.org/EXTANNREP2012/Resources/8784408-1346247445238/WorldBankforResults.pdf

6 Etwa 2,7 Mrd. Menschen haben 1981 und 2,5 Mrd. Menschen 2008 unterhalb dieser Grenze gelegen. Quelle: siehe Fußnote 5.

7 Wie wir an anderer Stelle hoffentlich deutlich gemacht haben, handelt es sich auch bei den „modernen“ und formal-demokratisch organisierten Industriestaaten um Systeme, die natürlich in erster Linie elitären Partikularinteressen dienen, für Deutschland etwa sprechen die gegebenen, sowie sich weiter entwickelnden Verteilungsverhältnisse sehr für sich, siehe: https://www.maskenfall.de/?p=1038

8 Letztere Institution wurde an der Seite der EU nun mit seinem neoliberalen Programm der Lohn- und Sozialkürzung, Deregulierung, Privatisierung und des Staatsabbaus auch auf Griechenland losgelassen. Geht dies so weiter, ist fraglich, ob mehr als ein Entwicklungsland vom europäischen Partner übrig bleiben wird.

9 Für eine Auflistung siehe: Thomas Seibel (1995), INEF Report, Heft 13, http://inef.uni-due.de/page/documents/Report13.pdf, Tabelle A

10 Siehe etwa WEED (ehemals Weltwirtschaft & Entwicklung), Die zerstörerische Bilanz der Strukturanpassung: Weltweite Armutsproduktion statt globale Armutsbekämpfung, 2002, http://www2.weed-online.org/uploads/we_sd_1_2002.pdf

11 Siehe Claus Peter Ortlieb: Markt-Märchen, S. 7-10, http://www.math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/Exit1CPOMarktMaerchen.pdf

12 Ausgenommen hiervon ist der landwirtschaftliche Sektor, den die EWG gegenüber dem Ausland abschirmt.

13 Als ein Grundsatz der WTO gilt die sog. Reziprozität, dergemäß Handelspräferenzen symmetrisch sein müssen, d.h., werden dem einen der beiden Handelspartner Zollvergünstigungen eingeräumt, muss dies umgekehrt auch für den anderen geschehen.

14 Das Problem besonders von Entwicklungsländern besteht darin, dass sie hauptsächlich eigene Rohstoffe gegen Fertigprodukte aus den Industriestaaten handeln. So verlassen die Rohstoffe das Land, von denen viele nicht nachwachsen, ohne dabei zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommen durch deren weitere Verarbeitung entstehen zu lassen, während die Wertschöpfung der Industrieländer hauptsächlich auf Arbeit beruht.

15 Siehe z.B. Oxfam, Unfairer Wettlauf um Rohstoffe, http://www.oxfam.de/publikationen/unfairer-wettlauf-um-rohstoffe

16 Eine Liberalisierung ausländischer Investitionen soll z.B. darauf hinauslaufen, dass transnationale Konzerne es leichter haben, international gegen solche Staaten zu klagen, durch deren politische Entscheidungen sie ihre getätigten Investitionen beeinträchtigt sehen. Hier handelt es sich um einen weiteren Mechanismus zur Einschränkung des demokratischen Raums zu Gunsten privater Kapitalinteressen, siehe z.B. Weed, Ändert die Internationale Investitionspolitik der EU – Jetzt ist die Zeit!, http://www.weed-online.org/themen/4487581.html

17 Im Rahmen ihrer umfassenden „Globale Europe Strategy“, bei der EPAs nur ein Instrument unter vielen sind, verfolgt die EU das Ziel des vollständigen Wettbewerbs. Konkurrenz würde zum leitenden Prinzip nicht nur zwischen Unternehmen, sondern ebenso Staaten, oder besser: deren arbeitenden Bevölkerungen. Globale Freiheit für das Kapital und globaler Konkurrenzdruck für die Menschen.

18 So würde ein Teil der afrikanischen Staaten entweder auf das sog. Standard Generalized System of Preferences (Standard-GSP) zurückgesetzt werden, bei dem nur für einen eingeschränkten Umfang von Waren eine asymmetrische Zollerleichterung besteht, ein anderer Teil würde gar mit den gleichen Zollbedingungen konfrontiert werden, wie sie auch für die reichen Länder dieser Welt gelten. Um bei den Standard-GSP noch zusätzlichen Druck aufzubauen, hat die Europäische Kommission den Vorschlag eingebracht, durch die Setzung neuer Kriterien einige Entwicklungsländer ganz aus diesem System herauszunehmen. Die sog. Least Developed Countries wiederum würden bei erfolgreicher Weigerung gegen den Abschluss eines EPA weiterhin auf das sog. „Everything but Arms-“ (EBA) System zurückgreifen können, demgemäß sie weiterhin zoll- und quotenfreien Zugang zu EU-Märkten hätten. Siehe TRAIDCRAFT, WEED et al. Economic Partnership Agreements – still pushing the wrong deal for Africa?, http://www.weed-online.org/themen/6181489.html

19 Sekundärzitat gemäß Quelle aus Fußnote 18

20 Alemayehu Geda führt in The Historical Origin of African Debt Crisis (2003) an, dass in nahezu allen afrikanischen Ländern 50-90% des Exports auf ein bis drei Rohstoffen beruhen. Aus dem World Development Report 2012 geht hervor, dass verarbeitete Waren nur rund 15% der afrikanischen Exporte in die Industrieländer ausmachen, während umgekehrt der Import aus den Industrieländern zu rund 70% auf verarbeiteten Waren beruht (s. S. 90, 92).

21 Siehe Alemayehu Geda, The Historical Origin of African Debt Crisis, 2003

22 Quelle, siehe Fußnote 21, S. 62.

23 Siehe UNCTAD, Economic Development in Africa – Debt Sustainability: Oasis or Mirage?, S. 9/10

24 Die Teilbilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen Subsahara-Afrikas ist stark negativ, wobei sich dies nicht etwa auf ein Defizit bei den Erwerbseinkommen zurückführen lässt. Im Gegenteil, hier weist Subsahara-Afrika sogar einen Überschuss auf, d.h., die ArbeitsmigrantInnen in aller Welt leisten durch ihre Rücküberweisungen einen Beitrag zur Finanzierung ihrer Heimatländer.

25 Susan George, Uses and Abuses of African Debt, 1992

26 So berichtet der ehemalige UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler etwa über das Beispiel Ruanda, bei dem nach dem Völkermord der Hutus an den Tutsis die nach der Befreiung gewählte Tutsi-Regierung einen Schuldenerlass nicht einmal auf jene Kredite erhielt, die, von einer französischen Großbank gewährt, dazu genutzt wurden, dass mit Waffenimporten aus Belgien und Frankreich der Völkermord an ihnen begangen werden konnte. Siehe Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, S. 114

27 HIPC: High Indebted Poor Coutries, der weitaus überwiegende Teil dieser Entwicklungsländer gehört zu Afrika

28 Unter „erträglich“ werden hierbei seitens der Gläubiger eine Staatsverschuldung in Höhe von 150% des Exports, bzw. 250% der Staatseinnahmen betrachtet.

29 Siehe etwa WEED, Die Karten neu gemischt?, Schuldenreport 2007, S. 30 ff.

30 Genaueres siehe Quelle Fußnote 29, S. 43/44

31 Datenbank der Weltbank: „Sub-Sahara Africa (developing only)“, „External debt stocks, total (DOD, current US$)“, 2004: 254,4 Mrd. US$, 2006: 193,9 Mrd US$, 2011: 295,6 Mrd. US$

32 Siehe auch George Monbiot, A truckload of nonsense, The Guardian, 14.6.2005

33 Siehe z.B. FAO Food Price Index

34 FAO, The State of Food Insecurity in the World, 2011, S.8

35 Ralf Streck, Demokratie- oder Hungerrevolten, Telepolis, 21.2.2011

36 Die Deutsche Bank hat z.B. mit ihrem sog. „PowerShares DB Agriculture Fund“ einen der weltweit größten Agrarrohstoff-Fonds eingerichtet. Dieser hatte im Jahr 2010 ein Volumen von 2,75 Mrd. US-$ und hielt hauptsächlich Kaufpositionen (sog. Long-Position), wettete also auf steigende Preise. Siehe MISEREOR, Oxfam, WEED, Die Deutsche Bank – weltweit führend im Rohstoffgeschäft

37 Warenterminbörsen wurden ursprünglich eingerichtet für HändlerInnen von Rohstoffen, die hier die Möglichkeit haben, miteinander standardisierte Kauf- und Verkaufsverträge für Warenlieferungen in der Zukunft abzuschließen, um sich auf diese Weise gegen Preisschwankungen abzusichern (sog. Hedger). SpekulantInnen auf diesen Märkten sind Personen, die kein wirkliches Kauf- oder Verkaufsinteresse von Rohstoffen haben, sondern lediglich an Preisschwankungen verdienen wollen. Auch sie haben eine teilweise als nützlich anerkannte Funktion, da sie den Markt „liquide“ halten, also dafür sorgen sollen, dass Hedger zu jedem Zeitpunkt einen entsprechenden Gegenpart finden, um sich abzusichern. Seit einigen Jahren ist der Anteil der SpekulantInnen jedoch drastisch angestiegen, besonders da große Indexfonds in das Geschäft eingestiegen sind. Die UNCTAD hat Untersuchungen durchgeführt, die klar aufzeigen, dass die Preise an den Warenterminmärkten für Rohstoffe mit den Preisen an Finanzmärkten seit einigen Jahren erstmals in einem starken Zusammenhang stehen, was sich gut dadurch erklären lässt, dass Finanzmarktakteure durch ihr Herdenverhalten und Tätigkeiten auf beiden Märkten zugleich diese miteinander verkoppeln und so die Preise auf den Rohstoffmärkten von ihren Fundamentaldaten loslösen. Siehe UNCTAD, Don’t blame the physical markets: Financialization is the root cause of oil and commodity price volatility, Policy Brief No. 25, September 2012

38 Siehe auch Foodwatch, Die Hungermacher, Oktober 2011

39 Dies haben Höffler und Owuer Ochieng (2009) am Beispiel Kenias gezeigt, siehe High Commodity Prices – Who gets the Money? A Case Study on the Impact of High Food and Factor Prices on Kenyan Farmers

40 Für weitere Informationen zum Thema Nahrungsmittelspekulation siehe Oxfam, WEED, Fragen und Antworten zum Thema Nahrungsmittelspekulation, November 2012

41 Siehe Oxfam, Hunger auf Land: Landnahme weitet sich rapide aus, 2011

42 Diese Fläche entspricht dem 1,57 fachen der Gesamtfläche Deutschlands

43 The World Bank, Rising Global Interest in Farmland, 2011. Anmerkung:

44 World Bank team, Large Scale Land Acquisition, 2010

45 Hierbei werden im Falle von Saudi-Arabien und China v.a. Staatsfonds tätig, wiederum mit dem Ziel, die Versorgung ihrer Länder gegenüber den schwankenden Weltmarktpreisen abzusichern.

46 FIAN, Agrarfonds schüren globalen Landraub, Fact Sheet 2010/5

47 Siehe farmlandgrab.org, World bank report on land grabbing: Beyond the smoke and mirrors, 2010

48 Siehe z.B. Blätter für deutsche und internationale Politik, Eine Mauer für Europa, 2011; der Freitag, Ertrunken vor Marina di Palma, 28.10.2010; Pro Asyl, Sterben auf der Flucht; Tobias Pflüger, Das Lager als Struktur bundesdeutscher Flüchtlingspolitik, November 2006

49 So ist etwa Deutschland bekanntermaßen der drittgrößte Exporteur von Rüstungsgütern.