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5. Februar 2020 | Brief an Bundesregierung und Deutschen Bundestag

Beiliegenden Brief haben wir an Außenminister Heiko Maas, an Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller und an die Mitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Unterauschusses Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln geschickt.

Präsidentschaftswahlen in Togo (22. Februar 2020)

Sehr geehrte Mitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,

wir wenden uns an Sie, weil wir in großer Sorge auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Togo am 22. Februar 2020 gucken.

Denn diese Wahlen sind keineswegs normal – das hat bereits die brutale Repression deutlich gemacht, mit der die togoischen Sicherheitsbehörden auf die Massenproteste zwischen August 2017 und Januar 2019 reagiert haben: Über 20 Demonstrant*innen wurden getötet, darunter auch Kinder und Jugendliche. Tausende wurden verletzt, hunderte (zum Teil bis heute) inhaftiert. Zudem haben Sicherheitskräfte Privatwohnungen und Büros der Opposition verwüstet, zwischenzeitlich flüchteten auch zahlreiche Menschen in die Nachbarländer Benin und Ghana.

Ungeachtet dessen akzeptierten Regierung und Opposition Anfang 2018 eine Vermittlungsinitiative der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Diese sah grundlegende Veränderungen bei der Organisation zukünftiger Wahlen vor (unter anderem bezüglich der Zusammensetzung der Wahlkommission und des Verfassungsgerichts, das die Wahlen überwacht). Doch diese Vorgaben wurden seitens der togoischen Regierung nicht umgesetzt. Und selbst das Gesetz, das die Zahl der Amtszeiten regeln sollte, wurde an entscheidender Stelle entschärft. Denn das Parlament (in dem gerade mal sechs Abgeordnete der Opposition sitzen) beschloss zwar im Mai 2019 die Beschränkung auf zwei Amtszeiten, dies jedoch mit dem Zusatz, dass die bisherigen Amtszeiten von Fauré Gnassingbé nicht mitgezählt werden. Zudem entschied das Parlament, dass ehemalige Präsidenten nicht für Vergehen angeklagt und verurteilt werden dürfen, die sie im Rahmen ihrer Präsidentschaft begangen haben.

Umso mehr muss es beunruhigen, dass togoische Sicherheitskräfte weiterhin brutal gegen die Opposition vorgehen, wie drei Beispiele aus der jüngeren Zeit zeigen:

- Am 25.08.2019 wurde in Lomé eine reguläre Parteiversammlung der Alliance nationale pour le changement (ANC) unter fadenscheinigen Gründen von Sicherheitskräften aufgelöst. Die ANC ist die Partei von Jean-Pierre Fabre, der als einer der aussichtsreichsten Oppositionskandidaten bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen gilt.

- Am 14.11.2019 berichtete der ehemalige Erzbischof von Lomé, Phillippe Kpodzro, dass er Morddrohungen erhalten habe, nachdem er sich am 12.11.2019 mit den Führern des Oppositionsbündnisses „C 14“ getroffen hat. Ähnlich muss Tikpi Atchadam aus Angst um sein Leben im benachbarten Ausland leben, er ist Präsident der Parti National Panafricain (PNP), einer der wichtigsten Oppositionsparteien.

- Am 25.01. und 26.01.2020 wurden zwei prominente Parteikader der PNP bei nächtlichen Razzien ohne Angabe von Gründen festgenommen – unter anderem der Generalsekretär Acoubou A. Moutawakilou.

Bestätigt werden derartige Berichte auch durch namhafte Menschenrechtsorganisationen: So schreibt Amnesty International in seinem letzten (bereits 2017 erschienen) Bericht zu Togo: „Die Sicherheitskräfte wandten auch 2016 exzessive Gewalt gegen Demonstrierende an. Nach wie vor kam es zu willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie zu Folter und anderen Misshandlungen, und die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen bestand fort.“ Ganz ähnlich die Togoische Liga für Menschenrechte: In einem im November 2019 veröffentlichten Bericht zu Folter und Polizeigewalt in Togo werden schwerste Menschenrechtsverletzungen geschildert – etwa am 21. Juli 2019 in Lomé im Quartier Hédzranawoé, als mehrere Dutzend Menschen von Sicherheitskräften ohne Anlass verprügelt und festgenommen wurden.

Angesichts dieser und ähnlicher Vorfälle scheint es absolut erforderlich, dass der gesamte Wahlprozess seitens der internationalen Öffentlichkeit genau beobachtet und etwaige Unregelmäßigkeiten ungeschminkt benannt und ggf. auch sanktioniert werden. Zu den drohenden Unregelmäßigkeiten gehören nicht nur Einschüchterungen und Benachteiligungen im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, sondern auch Wahlmanipulationen am Wahltag selbst. Und das umso mehr, als sich die Regierung weigert, selbstverständliche Standards in Punkto demokratischer und transparenter Wahlen umzusetzen – beispielsweise die Bekanntgabe der Wahlergebnisse getrennt nach Wahlbezirken (eine Maßnahme, die Wahlmanipulation deutlich erschwert). Laut verschiedener Umfragen will eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Fauré Gnassingbé als Präsident abgewählt wird. Zu ihren wichtigsten Forderungen zählen daher: Die Freilassung aller politischen Gefangenen, das Ende jeder Repression, die strafrechtliche Verfolgung all jener, die Gewalt gegenüber friedlichen Demonstrant*innen ausgeübt bzw. verantwortet haben und eine transparente, faire und gewaltfreie Organisation der Präsidentschaftswahlen.

Afrique-Europe-Interact unterstützt diese Forderungen und bittet die internationale Öffentlichkeit, die Wahlen in Togo kritisch und wachsam zu begleiten. Diese Bitte richtet sich nicht zuletzt an die Vereinten Nationen, die ECOWAS, die Afrikanische Union und die EU.

Von der Bundesregierung und den Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wünschen wir uns, dass sie sich gegenüber der Regierung und den staatlichen Behörden in Togo für die Durchführung transparenter, fairer und gewaltfreier Wahlen einsetzen mögen. Dies umfasst auch das Bestreben, vor, während und nach den Wahlen die Stimmen von Menschenrechtsorganisationen, von unabhängigen Wahlbeobachter*innen und von Vertreter*innen der Opposition ausdrücklich zu beachten.

Mit freundlichen Grüßen,

Volker Mörchen

Der Brief an Bundesregierung und Deutschen Bundestag als PDF:

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