10.10.2014 | Kundgebung in Bremen anlässlich des offiziellen Starts von Watch the Med Alarm Phone

Anlässlich des offiziellen Starts des “Watch the Med Alarm Phone” haben in unterschiedlichen Städten in Europa Aktionen und Pressekonferenzen stattgefunden. Afrique-Europe-Interact hat in diesem Rahmen ebenfalls eine Aktion in Bremen durchgeführt. Der Aufruf (inklusive des PDF des Flugblatts) kann hier nachgelesen werden. Zudem sei darauf hingewiesen, dass in den TV-Abendnachrichten von Radio Bremen um 18 Uhr ein längerer Beitrag über die Kundgebung gekommen ist, darüber hinaus ist in der taz Bremen am Tag der Kundgebung ein Interview zum Alarmphone erschienen.

[Aufruf Bremen – inklusive PDF]

Über 3.000 Tote seit Januar 2014: Stoppt das Massensterben auf dem Meer! Fluchtwege öffnen, Menschenrechte verteidigen!

Ein Jahr ist es her, seit die Särge von Lampedusa quer durch Europa einen längst überfälligen Schrei des Entsetzens ausgelöst haben – auch in Bremen, wo am 12. Oktober 2013 zahlreiche Menschen auf dem Marktplatz zu einer Kundgebung in Gedenken an die über 600 Toten der beiden Flüchtlingstragödien vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa zusammengekommen waren. Um so unbegreiflicher, ja menschenverachtender ist es, dass sich die Situation in den letzten 12 Monaten erneut massiv zugespitzt hat:

Über 3.000 Menschen sind seit Jahresbeginn im Mittelmeer gestorben, so die Internationale Organisation für Migration (IOM). Mehr Flüchtlinge und Migrant_innen als jemals zuvor – die meisten von ihnen aus Ländern wie Syrien, Irak, Eritrea oder Somalia. Und es wären noch tausende Tote mehr gewesen, hätte sich die italienische Regierung angesichts der europaweiten Proteste nicht gezwungen gesehen, als Konsequenz aus Lampedusa die Marineoperation „Mare Nostrum“ (Unser Meer) ins Leben zu rufen. Denn indem Schiffe und Flugzeuge bis in die Nähe der lybischen Küste gezielt nach Flüchtlingsbooten suchten, konnten seit November 2013 über 100.000 Menschen aus Seenot gerettet werden. Ebenfalls so viele wie noch nie seit Einführung der allgemeinen Visapflicht im Jahr 1993.

Die tatsächlich Bedeutung dieser (nur widerwillig zustande gekommenen) Rettungsmission ist kaum zu überschätzen, dennoch hat die italienische Regierung in Abstimmung mit der EU beschlossen, Mare Nostrum in den nächsten Monaten auslaufen zu lassen. Als Nachfolger soll „Triton“ kommen – eine Maßnahme der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Und das, obwohl Triton in erster Linie die Grenzkontrollen verschärfen, nicht aber Mare Nostrum ersetzen soll, wie Frontex-Chef Gil Arias unmissverständlich betont hat: „Wir sind keine Agentur, die sich mit der Lebensrettung auf hoher See befasst“ – ein Umstand, der auch darin zum Ausdruck kommt, dass für Triton nur noch 36 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen, anstatt 100 Millionen Euro wie für Mare Nostrum.

Besonders empörend ist, dass europäische Politiker_innen unmittelbar nach den beiden Katastrophen von Lampedusa völlig andere Maßnahmen in Aussicht gestellt hatten. Beispielsweise der damalige EU-Komissionspräsident José Manuel Barroso: „Die EU kann nicht akzeptieren, dass Tausende Menschen an ihren Grenzen sterben.“ Oder der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck: „Wegzuschauen und sie hinein segeln zu lassen in einen vorhersehbaren Tod, das missachtet unsere europäischen Werte.“ Dass aus solchen Vorsätzen keine EU-weiten Taten gefolgt sind, hat vor allem mit Deutschland zu tun. Denn obwohl das größte Land der EU bei der Aufnahme von Flüchtlingen gerade mal an achter Stelle rangiert (weit abgeschlagen hinter Schweden, wo im Pro-Kopf-Vergleich dreieinhalb mal so viele Flüchtlinge aufgenommen werden), sind es insbesondere hiesige Innenpolitiker_innen, die auf eine möglichst lückenlose Kontrolle der EU-Außengrenzen drängen. So sprach Innenminister Thomas de Maizière Anfang September in einem dreiseitigen Brief an die bislang für Flüchtlingspolitik zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström zwar von einer „Zuspitzung des Migrationsproblems im Mittelmeer“, erwähnte aber mit keiner Silbe die ums Leben Gekommenen oder gar die Notwendigkeit zur Seenotrettung.

Gerade deshalb ist es erforderlich, offensiver denn je auf die Straße zu gehen. Denn das Recht auf Schutz vor Krieg, Diktatur oder Hunger darf nicht dadurch ausgehebelt werden, dass Flüchtlinge und Migrant_innen nur unter Lebensgefahr Europa erreichen können. Vielmehr gilt es, die Fluchtwege nach Europa zu öffnen – genauso wie die Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen umfassend zu verteidigen. In diesem Sinne unterstützt Afrique-Europe-Interact auch die Initiative eines alternativen Alarm Phone, mit dessen Hilfe Flüchtlinge in Seenot ab sofort zusätzliche Unterstützung anfordern können

[Das PDF des Flugblatts, das weitere Informationen sowie den allgemeinen Aufruf zum Alarm Phone umfasst kann hier angeguckt werden.]