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27. Juni 2013 | Festnahme von Oppositionellen in Mali wegen Teilnahme an Demonstrationen trotz Ausnahmezustand

Pressemitteilung von Afrique-Europe-Interact

Am 8., 13. und 17. Juni sind in der malischen Hauptstadt Bamako und in Koutiala im Süden Malis 38 Personen festgenommen worden, von denen bis heute mindestens 16 in Haft sitzen. Sie sollen sich an Demonstrationen beteiligt und somit gegen das Demonstrationsverbot des seit Beginn der französischen Militärintervention Mitte Januar immer wieder verlängerten Ausnahmezustandes verstoßen haben. Anlass der Demonstrationen waren die Verhandlungen zwischen der malischen Regierung und der Tuareg-Rebellenorganisation MNLA, die am 18. Juni in Ouagadougou – der Hauptstadt Burkina Fasos – mit einem vorläufigen Friedensvertrag abgeschlossen wurden. Bei den Inhaftierten handelt es sich überwiegend um bekannte Akteure der malischen Zivilgesellschaft.

Gegenstand der Verhandlungen in Ouagadougou war der Status der nordmalischen Stadt Kidal. Denn seit der Vertreibung islamistischer Milizen durch die französische Armee ist diese nicht nur von MNLA-Rebellen gehalten worden. Vielmehr haben diese mit Zustimmung Frankreichs sowohl den malischen Behörden als auch der malischen Armee den Zutritt zur Stadt verweigert – und das mit der Konsequenz, dass lange ungeklärt war, inwiefern die für Juli geplanten Präsidentschaftswahlen in Kidal überhaupt durchgeführt werden könnten.

Zentrales Problem: Weite Teile der malischen Bevölkerung lehnen die auf Druck Frankreichs zustandegekommen Verhandlungen ab. Erstens, weil die MNLA über keine nennenswerte Verankerung innerhalb der Tuareg-Bevölkerung verfügt und einzig eine an eigenen Interessen orientierte Politik verfolgt. Zweitens, weil alle anderen im Norden lebenden (Sprach-)Gruppen von den Verhandlungen ausgeschlossen waren – unbeschadet dessen, dass sie Zweidrittel der dortigen Gesamtbevölkerung ausmachen. Drittens, weil die von MNLA-Vertretern geforderte Amnestie für Kriegsverbrechen strikt zurückgewiesen wird, das heißt die von Menschenrechtsorganisationen detailliert dokumentierten Vergewaltigungen, Plünderungen und systematischen Zerstörungen öffentlicher Infrastruktur durch Angehörige der MNLA (insbesondere zwischen Januar und Juni 2012).

Auch die malische Sektion des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact steht den Verhandlungen kritisch gegenüber, ohne sie jedoch in Gänze in Frage zu stellen. Gefordert wird stattdessen die sofortige Entwaffnung der MNLA und die Abhaltung dezentral organisierter Versammlungen unter Beteiliung aller Bevölkerungsgruppen. Denn nur so könnten Korruption, Klientilismus und Misswirtschaft als die eigentlichen Ursachen der aktuellen Krise kollektiv aufgearbeitet werden – insbesondere mit Blick auf die Herbeiführung eines neuen „sozialen Vertrags“ zwischen Bevölkerung und politisch-institutioneller Sphäre an sich. In diesem Zusammenhang sorgt zudem der frühe, ebenfalls vom Westen aufgezwungene Wahltermin im Juli für lautstarke Kritik, nicht zuletzt dessen erpresserische Koppelung an die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe. Denn je früher gewählt würde, desto stärker spiele dies den alten Eliten in die Hände.

Sowohl die malische als auch die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact fordern die sofortige Freilassung aller Inhaftierten. Zudem sollte seitens der malischen Regierung schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden, wie die Wahrnehmung der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit trotz Ausnahmezustand gewährleiset werden kann.

Rückfragen beantworten wir gerne (nolagerbremen@yahoo.de oder: 01578 4852 921), bei Interesse können wir auch Direktkontakte zu BasisaktivistInnen in Mali herstellen.